von der Freizeit zu erzählen? Etwa so? Vor ziemlich genau 7 Wochen sind wir von der Freizeit zurückgekommen und heute ist sie mir schon so fern. Wenn ich mir allerdings die Dias anschaue, dann erscheinen mir doch viele Gesichter recht vertraut, fast so, als würden sie gleich zur Tür herein kommen: "Du-u, kannst du mir mal " - "Hey, das is' voll unfair, der macht immer " Oder vielleicht so:
"Lilienwald". Welch idyllischer Klang! Fast schon märchenhaft anmutend. Dabei erhielt das Gelände den Namen vor 28 Jahren, weil es alles andere als märchenhaft war, nämlich ein Schuttabladeplatz. Aber das, was die Pfadfinder von Karben-Petterweil in X Stunden ehrenamtlicher Arbeit daraus gemacht haben, kann sich sehen lassen; ein Ferien- und Freizeitgelände mit Übernachtungsmöglichkeiten für über 50 Personen mit Edelstahlküche, Spielwiese und weiträumigem Biotop für Sumpf- und Wasserlebewesen.
In dieser Umgebung wollten wir also unsere "Lilienwald-Freizeit" verbringen. "Wir", das hieß Clemens, Julia und Tarik als Betreuer der Jugendfreizeit mit 11 Teilnehmern und Claudia, Dominik, Gerrit, Inga und Kathrin für die Kinderfreizeit mit 30 Teilnehmern. In der Küche sorgte Elke dafür, dass niemand zu hungern brauchte - und manchmal auch dafür, dass der Küchendienst ordentliche Arbeit leistete. Ihre Tochter Lea, 4 Jahre alt, unterstützte sie dabei oder vergnügte sich mit unseren Kindern draußen vor dem Haus. Und wenn es ihre Arbeitszeit zuließ, kam Ulla dazu und sprang dort ein, wo jemand gebraucht wurde. Sei es in der Küche oder mit der Gitarre beim Kinderprogramm. Oder schon bei der Hinreise: während wir im Bus die ersten Bekanntschaften schlossen und ich versuchte, mir einige Namen einzuprägen, kutschierte Ulla den Materialbus nach Petterweil, gefolgt von Julia und Elke mit den Lebensmitteln und Clemens mit einem weiteren Kleinbus.
Es dauerte einige Zeit, bis wir alle Teilnehmer in Reinheim, Gernsheim und Gräfenhausen eingesammelt und die Jugendlichen ihre Fahrräder im Bushänger verstaut hatten, aber schließlich kamen wir doch in Petterweil an. Nach dem üblichen Zimmer- bzw. Hüttenverteilen - der "Einbürgerung" - und einem ersten Geländerundgang, rief Elke schon bald zum gemeinsamen Abendessen im großen Tagesraum.
Nach einem bewegten Spieleabend und der Einführung in
die Bibelgeschichte ging es dann schnell ins Bett, um
für den nächsten Tag wieder fit zu sein. Dass die erste
Nacht auf einer Freizeit immer eine besondere ist, wurde
mir spätestens wieder klar, als ich morgens um halb vier
einige Kinder auf dem Lagerplatz beim Morgenspaziergang
aufsammelte! ("Wir sind nicht mehr müde. Wir haben
ausgeschlafen!!")!
Aber das sollte sich in den nächsten Tagen ändern!
War der Theatergottesdienst am Sonntagmorgen noch einigermaßen geruhsam (für die Kinder) - es ging um die Geburt Mose und die Sache mit dem Binsenkörbchen im Nil - so forderte das Trial-Turnier am Nachmittag mit den Sportarten Frisbeegolf, Völkerball und "Gemetzel" schon mehr Kräfte und nach dem Abendessen gab es noch einige Spiele im Tagesraum, die sicher auch schon Mose in seiner Jugend am ägyptischen Königshof gespielt hat. Müde fielen die Kinder anschließend ins Bett, hörten dort noch einen Abschnitt der fortlaufenden Gute-Nacht-Geschichte und waren spätestens kurz danach tief und fest eingeschlafen
Aus sicherer Entfernung beobachteten 30 Kinder am nächsten Morgen einen Streit mit furchtbaren Folgen: Ein ägyptischer Aufseher schlägt auf einen entkräfteten israelitischen Arbeiter ein; zufällig taucht gerade in diesem Moment Mose auf und gerät dermaßen in Zorn über die Ungerechtigkeit des Ägypters, dass er ihn kurzerhand erschlägt und verscharrt. Trotz aller Vertuschungsversuche spricht sich die Tat doch herum und Mose muss vor dem Pharao fliehen. Daran entzündete sich eine spannende Schnitzeljagd auf schmalen Trampelpfaden, quer durch einen verbrennesselten Wald. Aber beide Spieler-Gruppen hielten durch und am Ende wurde die Mose-Gruppe sogar gefunden und gefangen.
Für den Nachmittag hatten wir zu einer Hochzeit
eingeladen. Niemand wusste, wer eigentlich heiraten
sollte! So wurden (überwiegend von den Mädchen!) Blumen
gepflückt, Kränze geflochten und andere tolle Geschenke
hergestellt.
Manche Kinder waren dann ein bisschen enttäuscht, dass "nur" Mose in der Fremde seine Zippora gefunden
hatte und heiraten wollte. Aber das Paar freute sich
über die Geschenke und wusste sie auch zu würdigen, und
auch die Kinder konnten mit der Überraschung gut
umgehen.
"Lagerfeuer" bedeutet auf einer Freizeit immer auch, dass vorher im Wald (möglichst trockenes!) Holz gesucht und beigeschafft werden muss. So waren die Kinder den Rest des Nachmittags beschäftigt und hatten dann am Abend ihren Spaß, auch dem Brennen und Verbrennen von Holz bewusst zuzusehen ("guck mal, gleich kracht das Stück da ab "). Und natürlich wurde auch ordentlich rumgekokelt und mit dem Feuer gespielt. Die Geschichte vom brennenden Dornbusch gegen Ende des Abends hatte hier ihren richtigen Platz.
Beim zweiten Lagerfeuer einige Tage später haben wir dann das mehrfach gewünschte und langersehnte Stockbrot gebacken - bei dem jedes Jahr einige Spezialisten den Teig lieber halbroh essen, weil sie nicht die Geduld haben, das Brot über der Glut (und nicht in der Flamme) langsam durchbacken zu lassen.
Nachdem unsere geliehenen Kanus nun schon einige Tage
auf dem Gelände gestanden hatten (und von den
Jugendlichen auch schon getestet worden waren), sollte
auch jetzt die erste Hälfte der Kinderfreizeit
"raus aufs Wasser". Nach dem Frühstück
fuhren Dominik, Ulla und ich mit Kleinbussen und Hänger
nach Wickstadt am Oberlauf der Nidda, um uns dort
"einzubooten". Natürlich herrschte große
Aufregung, bis jeder und jede die passende Schwimmweste
an und ein entsprechendes Paddel in der Hand hatte.
Ebenso, bis je zwei sich geeinigt hatten, eine
Gepäcktonne gemeinsam zu benutzen und dann auch noch im
selben Boot zu fahren
Aber schließlich saßen wir
alle in den Booten und die Kinder fuhren von einem Ufer
zum anderen. Es dauert halt doch eine Weile, bis man
gelernt hat, ein Boot richtig zu steuern. Nur gut, dass die Nidda kaum Strömung hat, dafür allerdings Unmengen
von Wasserpflanzen - die auch manchmal hinderlich sein
können. Unterwegs wurden wir von einem ausgiebigen
Regenschauer überrascht, so dass wir unsere Mittagspause
unter einer zugigen Straßenbrücke halten mussten. Hier
zeigte sich, dass einzelne Kinder mit Missgeschicken und
Widrigkeiten nur schlecht umgehen können ("motz,
mecker, maul,
").
Kurz vor dem Ende dieser
Fahrt hatten wir ein Wehr zu bewältigen. Das bedeutet:
links anlegen (wo ist links?), aussteigen, leere Boote am
Seil durchtreiben lassen, unterhalb des Wehres warten,
bis alle Boote durch sind, wieder einsteigen.
Geschickterweise ließen wir das letzte Boot kieloben
durchs Wehr treiben und vermissen seit dem ein
Handtuch
! Die Aussetzstelle am Pegelhäuschen von
Ilbenstadt war dermaßen flach, dass die Kinder noch
einige Zeit im Wasser herumtoben konnten, bevor
schließlich die Boote aufgeladen wurden und es dann
wieder heimwärts ging.
Bei der zweiten Tour einige Tage später wurden Kathrin, Inga und ich von zwei Freunden von mir, Ralf & Tina, unterstützt. Diesmal war der Wasserstand ein wenig höher, die Strömung daher ein bisschen flotter - und das Wetter um einiges besser. Dafür gab es Probleme an bewusstem Wehr: um ein gekentertes Boot aufzufischen, fuhr ich solo in der Hauptströmung durchs Wehr - und riss ein beachtliches Loch ins Boot. (Mit dem Flicken habe ich nach Freizeitende noch einige Zeit verbracht Inzwischen ist das Boot aber wieder seetüchtig.)
Mehrfach haben wir während der Freizeit in Kleingruppen gebastelt. So lag es z.B. an Inga, dass sich die Wäscheleinen und -ständer vor dem Haus mit unzähligen buntgebatikten - und schönen - T-Shirts füllten. Kathrin ist dafür verantwortlich zu machen, dass im Tagesraum die Ablageflächen immer wieder von Gipsmasken belegt waren, die dort wohl trocknen sollten (wo denn sonst?). Und Claudia wies ihre Kinder ebenfalls an, die entstandenen Kunstwerke aus Glas im Tagesraum zum Trocknen abzulegen. Bei Dominik entstanden aus Moosgummi beklebte Haarspangen und anderes Schmuckwerk und bei mir wurden Ledertierchen und kleine Ledersäckchen hergestellt. Als freischaffende Bastelgruppe kann man die Kinder bezeichnen, die sich stundenlang in den Mittagspausen mit unserem Stickgarn beschäftigten und sich bunte Bändchen in die Haare flochten.
Der Ruf: "Die machen Zimmerkontrolle" brachte so manchen und manche zum Rennen, um in zwei Minuten noch schnell zu beseitigen, was sonst vielleicht einige Minuspunkte oder Abstufungen mit sich gebracht hätte. Zu Ehren der Jungen muss man allerdings sagen, dass deren enge Zimmer schwieriger in Ordnung zu halten waren als die Fachwerkhütten der Mädchen und dass es durchaus auch Zeiten gab, in denen die Jungenzimmer ordentlicher als die der Mädchen waren!!
Zu erzählen wäre noch vieles: Zum Beispiel von dem Abend, als während der Disco plötzlich Mose auftauchte, wild um sich schimpfte über das Volk, das um das Goldene Kalb tanzte und zwei Gesetzestafeln auf dem Boden zerdepperte!
Oder von dem Passahmahl mit Matzenbrot und Traubensaft am Abend vor dem Auszug aus Ägypten; von dem Stationenlauf mit den zehn Plagen; von den Walderlebnisspielen und dem Spontantheater.
Erwähnenswert ist auch das Brennballspiel, bei dem auch die Jugendlichen und alle Mitarbeiter mitspielten; einiges zu berichten wäre auch vom Werkstattgottesdienst und von den Bibelarbeitsgruppen. Einige Kinder waren sehr offen und so ergaben sich interessante Gespräche.
Unbedingt zu erzählen ist auch von dem Tagesausflug nach Bad Homburg mit Spaziergang durch den Schlosspark mit seinen Bäumen und bunten Blumenrabatten (an denen zu meiner Überraschung auch die Kinder Freude hatten!). Nach einem Einkaufsbummel in der Fußgängerzone vergnügten wir uns dann im Bad Homburger Erlebnisbad.
Aufgrund des kühlen und oft auch feuchten Wetters mussten wir Mitarbeiter unser langfristig ausgearbeitetes Programm dauernd umstellen, einzelne Blöcke verschieben, ausfallen lassen, neu ausarbeiten und einbauen. So wurden wir davor bewahrt, aus purer Langeweile zu früh ins Bett zu gehen.
Auch vom Abschlussabend und vielleicht sogar vom Hausputzen am letzten Tag wäre noch manches zu sagen - aber zuviel ist zuviel. Ich setze gleich hier einen Schlusspunkt und höre einfach auf zu schreiben
PUNKT
Gerrit Langenbruch