Zur Lage in Westafrika

Wie Zeitungsberichte und andere Informationen zeigen - hat sich die Lage in Westafrika weiter kompliziert. Uns liegt ja vor allem Sierra Leone am Herzen, weil seit vielen Jahren eine Partnerschaft zwischen dem YMCA (CVJM) in Sierra Leone und unserem CVJM Westbund besteht. Sierra Leone grenzt im Südosten an Liberia und im Osten und Norden an Guinea. Seine Hauptstadt ist Freetown, das 1787 von Engländern für befreite Sklaven gegründet wurde. Das Land ist etwa so groß wie Bayern.

Liberia entstand 1847 aus mehreren Ansiedlungen freigelassener Sklaven aus den USA. Liberia gehörte zu den Gründungsmitgliedern der UNO (1945) und der Organisation für Afrikanische Einheit (1963). Ab 1989 wurde das Land durch eine Revolte von Taylor in einen siebenjährigen Bürgerkrieg gestürzt, bei dem von den damals etwa 2,5 Millionen Einwohnern mehr als 150 000 Menschen umkamen, über 1 Million im eigenen Lande heimatlos wurden ("Binnenflüchtlinge") und über 700 000 das Land verließen. Dennoch wurde Taylor 1998 zum Staatspräsidenten gewählt und seine Partei erhielt die Mehrheit im Parlament. Liberia ist etwas größer als Sierra Leone, 70% der etwa 3 Millionen Einwohner sind Anhänger von Naturreligionen, 20% sind Muslime und 10% Christen.

Von Liberia aus wurde die Rebellion nach Sierra Leone gebracht. In dem seit Jahren herrschenden, unvorstellbar grausam geführten Bürgerkrieg wurden von der RUF (Revolutionary United Front) u.a. durch Kindersoldaten, die teils drogenabhängig gemacht wurden, tausende Menschen getötet, aber noch viel mehr verstümmelt. Mehr als eine halbe Million Menschen sollen zu Binnenflüchtlingen gemacht worden sein. Weitere 600 000 der insgesamt rund 4 Millionen Einwohner flohen nach Guinea. Sie leben in den dortigen Lagern nahe der Grenze und werden von der UNO und einigen Hilfsorganisationen unterstützt. Den Binnenflüchtlingen und den Menschen in den Lagern in Guinea wurde auch vom CVJM in Sierra Leone - teils mit Mitteln aus Deutschland - immer wieder geholfen. Die Zahl der Christen in Sierra Leone wird mit 8%, die Zahl der Muslime mit 39% angegeben. Auch hier besteht die überwiegende Mehrheit aus Anhängern von Naturreligionen.

Inzwischen sind aber auch Rebellen nach Guinea eingesickert. Das Land ist mehr als dreimal so groß wie Sierra Leone und zählt etwa 7 Millionen Einwohner. Davon werden 95% zum Islam gerechnet, nur 1,5% sind Christen. In den letzten Monaten kam es in der Umgebung der Lager zu Unruhen. Im Dezember wurden Lager von den Rebellen geplündert. Dadurch blieb vielen Flüchtlingen nur ein Kleiderbündel. Von den von der UNO errichteten Zelten stehen nur noch die Holzgerüste. Im Süden Guineas kämpfen Regierungstruppen gegen Rebellengruppen, so dass viele Flüchtlinge zwischen den Fronten eingeschlossen sind.

Die Regierung Guineas sieht die zahlreichen Flüchtlingslager zunehmend als Bedrohung an, weil unklar ist, welche Menschen als Flüchtlinge und welche als Rebellen ins Land kommen. Präsident Conté bezeichnete gar die Flüchtlinge als Komplizen der Rebellen. So hat die UNO damit begonnen, Flüchtlingslager aus dem Grenzgebiet ins Landesinnere nach Albaderia zu verlegen. Doch wurde den Flüchtlingen im Grenzgebiet zu Liberia auch von ihren Verwandten geholfen. Diese Hilfe würde nach einer Umsiedlung wegfallen.

In Sierra Leone versucht die UNO, die Ordnung aufrecht zu erhalten, vor allem in der Hauptstadt Freetown. Das ist bisher auch mehr oder weniger gelungen, doch ist das Land völlig von ausländischer Hilfe abhängig. Es scheint kein Rückgrat mehr dazusein, niemand der die Führung des Landes übernehmen und eine Initiative zur Selbsthilfe starten könnte. Es gibt viele engagierte Bürger und Bürgerinnen, auch im CVJM, aber sie können nur punktuelle Hilfe leisten bzw. organisieren.

Was können wir tun? Es gibt vier Möglichkeiten:

  1. Wir sollten weiter für das Land und seine Bewohner und unsere Freunde beten. Gerade da, wo wir anscheinend nur wenig bewirken können, wo unsere Kraft zu klein ist, dürfen wir alles Gott "vor die Füße werfen".
  2. Wir können uns weiter auf materielle Hilfe vorbereiten. Hoffentlich hat sich die Lage bald wieder so beruhigt, dass der Westbund entsprechende Aktionen starten kann.
  3. Wir sollten aktiv werden und in unserer Umgebung immer wieder darauf hinweisen, dass der eigentliche Grund für die schrecklichen Verhältnisse in Westafrika die Diamanten sind. Das Schlagwort "An Diamanten klebt Blut" ist Wahrheit. Dabei geht es nicht um die Industrie-Diamanten, sondern um die Schmuckdiamanten, die in Sierra Leone, aber wohl auch in Guinea gefunden werden. Sie werden teuer bezahlt, sind klein und unauffällig zu transportieren, darum ist ihr Weg vom Fundort zum Juwelier nur schwer zu verfolgen, aber es wird sehr viel schmutziges Geld damit verdient. Wer Diamanten kauft bzw. trägt, unterstützt dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit die Bürgerkriege in Westafrika. Werden Diamanten geächtet, so wird ihr Markt zusammenbrechen, und die Rebellen in Westafrika werden wesentlich geschwächt werden! Ganze Landstriche oder Länder werden für sie uninteressant werden.
  4. Woher kommen die Waffen? Das lässt sich wohl in den meisten Fällen genauso schwer verfolgen wie der Weg der Diamanten, aber die Waffen werden nicht im Boden gefunden, sondern produziert, auch in Europa! Länder, die direkt oder indirekt Waffen in solche Krisengebiete exportieren, sollten von der UNO öffentlich gerügt und mit Strafmaßnahmen belegt werden. Auch in Deutschland werden Waffen produziert und exportiert. Das Argument "Arbeitsplätze" steht dabei immer im Vordergrund. Sind wir so arm und moralisch verkommen, dass wir am Elend anderer Menschen verdienen müssen?

Wehe uns, wenn wir Christen dazu schweigen!

G. A. Langenbruch