Wort für den Monat August 2003

Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobet der Name des Herrn! (Psalm 113,3)

Stell dir vor, in 500 Jahren findet nicht wie bisher eine Fußball-"Erdmeisterschaft", sondern wirklich eine "Weltmeisterschaft" statt, Erdianer gegen Centarurier und Veganer. Und stell dir vor, die Erdianer gewinnen. Was passiert, wenn die "Erdmeisterschaft" gewonnen ist? Da brüllen die Fans aus vollem Hals, wildfremde Menschen umarmen sich und Autos fahren hupend durch die Straßen. Was wird passieren, wenn die Erdianer die "Weltmeisterschaft" gewinnen? Dann jubelt die ganze Erde, vielleicht nicht von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, aber doch von Ost bis West, von Nord bis Süd. Sie jubeln nicht nur allgemein mit unartikulierten Schreien, sondern sie skandieren auch den Namen der siegreichen Mannschaft oder des Mannschaftskapitäns.

Nicht ganz so lautstark und enthusiastisch geht es zu, wenn wir "den Namen des Herrn loben". Wie oft habe ich zu Beginn von Reli geraden diesen Vers singen lassen: "Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobet der Name des Herrn!" Zuerst war's etwas zaghaft, dann nach dem 5. Mal konnten es alle, da hörte sogar ich trotz Schwerhörigkeit so etwas wie Gesang. Aber so richtig überschwänglich war's nie, eher eine Pflichtübung, mehr oder weniger schön und laut.

Überschwänglichen Jubel über Gott können wir uns kaum noch vorstellen. Wir singen im privaten Leben kaum noch. Um so wichtiger ist, dass es wenigstens im Gottesdienst und in den Gruppenstunden Gelegenheit zum Singen gibt. Nach Weihnachten treffen wir uns mit Freunden und singen Weihnachtslieder, bis uns nichts mehr einfällt oder der Hals wehtut. Ich habe dabei die Erfahrung gemacht: Das tut gut, das putzt so richtig die Seele aus.

Das "deutsche Problem" ist bekanntlich der Text. Mehr als die erste Strophe fällt uns nicht ein. Dazu haben wir ja Liederbücher. Aber meist machen wir den Fehler, dass wir das Buch auf dem Tisch oder dem Schoß liegen haben. Wir senken dabei den Kopf, als ob wir beten wollten, und klemmen uns dabei den Kehlkopf zwischen Brust und Kinn. (Probier's mal aus, drück das Kinn fest auf die Brust und versuch zu singen oder zu sprechen: Du kriegst keinen Ton heraus). Professionelle Sänger halten das Blatt hoch und den Kopf nach oben. Da kriegen sie Luft und da macht das Singen auch Spaß.

Das aber nur nebenbei. Du siehst: Wenn wir's richtig machen mit dem Lob Gottes, profitieren wir selbst auch davon.

In der Bibel ist das Gotteslob eine Art Mission: Da wird nicht nur "Halleluja" und "Hosianna" gerufen, sondern da wird von Gott erzählt. Zum Beispiel Psalm 118, ein Dankpsalm nach einer Krise. Der Beter nimmt das nicht selbstverständlich hin oder sagt verschämt im stillen Kämmerlein "Danke, lieber Gott", sondern er feiert einen Dankgottesdienst und lädt die Gemeinde zum Mitdanken ein und "verkündet des Herrn Werke" (V. 17), d.h. er erzählt, wie es ihm ergangen ist. In anderen Psalmen wird das sehr deutlich gesagt, z.B. in Psalm 107 (verschiedene Gefahren, aus denen Gott gerettet hat).

Grund zum Loben gibt nicht nur das persönliche Ergehen, sondern auch die Schöpfung (Psalm 104, "Geh aus mein Herz und suche Freud") und die Geschichte (Psalm 105).

Wichtig dabei ist immer, dass wir unsere guten Erfahrungen mit anderen teilen und sie nicht für uns behalten. Ja es gibt sogar im Alten Testament schon den Gedanken, dass sogar die andersgläubigen Nationen von den großen Taten Gottes hören und in das Lob Gottes einstimmen.

Ich hatte vor 20 Jahren das Konzept einer "missionarischen Jugendarbeit" gepredigt und halte immer noch daran fest. Das haben einige vielleicht so verstanden, als ob wir den armen Kindern, die uns anvertraut sind, ein fremdes Konzept überstülpen wollten, statt ihnen "integrativ" zu freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu verhelfen. Alles Quatsch! Mission ist einfach von den guten Erfahrungen erzählen, die wir und andere Menschen auf der ganzen Welt seit Tausenden von Jahren mit Gott gemacht haben. Wir "loben" ja auch sonst und erzählen davon weiter, was wir für gut finden. Warum nicht auch von unserem Glauben?

Heinrich Tischner