Wort für den Monat Februar 2004

Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen. (Psalm 91,11)

Liebe Leserin, lieber Leser,

ein "englischer" Spruch, der uns durch den Monat Februar begleiten soll.

Zugleich ist es aber auch ein teuflischer Spruch, denn das ist der einzige Bibelvers, den der Teufel in historischer Zeit nachweislich in den Mund genommen hat.

Und schließlich ist dieser Bibelvers auch ein menschlicher und ein göttlicher Spruch.

Jetzt aber mal hübsch der Reihe nach:

1. Ein "englischer" Spruch

ist es, weil da von Engeln die Rede ist. Engel sind keine fabelhaften Flattermänner oder −Frauen, sondern Boten Gottes. Sie handeln im Auftrag Gottes, sind Person gewordene Willenskundgebungen Gottes. Wie der Weihnachtsengel richten sie Botschaften Gottes aus, tauchen unvermittelt auf und verschwinden wieder, wenn sie ihre Auftrag ausgerichtet haben.

Bei den ältesten Engelsgeschichten im Alten Testament hat man oft den Eindruck, als scheue sich der Erzähler, direkt von einer Gotteserscheinung zu reden, deshalb spricht er von Engeln:

Vor dem Untergang von Sodom und Gomorra kommen drei Engel, um zu gucken, ob die diese Städte wirklich so schlimm sind wie ihr Ruf und um Lot, Abrahams Neffen, zu retten. Zuvor aber besuchen sie Abraham, um ihm die Geburt Isaaks und das Gericht über die beiden Städte anzukündigen. Wir werden aus der Geschichte nicht schlau, wer da tatsächlich aus der anderen Welt auf die Erde gekommen ist: Jahwe oder mehrere Engel (1. Mose 18+19).

Aus dem Dornbusch spricht Gott selbst oder ein Engel zu Mose (2. Mose 3).

2. Ein göttlicher Spruch

ist es, weil da von Gott die Rede ist: Er, d.h. Gott, hat die Schutzengel entsandt. Schutzengel sind zurzeit "in". Wir haben's ja auch nötig bei unserem Straßenverkehr und den vielfältigen Gefahren unseres Lebens. Aber statt zu sagen "Da hast du einen Schutzengel gehabt" könnten wir doch genauso sagen: "Da hat Gott dich behütet." Tun wir nicht Gott Unrecht, wenn wir jede Bewahrung einem Schutzengel und nicht Ihm persönlich zuschreiben? Gott ist es doch, der die Engel auf die Erde abkommandiert, auch die Schutzengel.

3. Ein menschlicher Spruch

ist es, weil da auch von dir die Rede ist: Der Schutzengel hat den Auftrag, "dich" auf deinem Weg zu behüten – nicht nur vor Räubern, wilden Tieren und wild gewordenen Autofahrern, sondern auch vor Steinen, über die wir stolpern können (so geht der Originalspruch weiter). Wir haben's alle schon erlebt, welche unangenehmen und manchmal langwierigen Folgen ein Sturz haben kann.

Ein schönes Beispiel von solch einem unsichtbaren Wegbegleiter finden wir im Buch Tobith, das in den Apokryphen steht und nicht in jeder Bibel abgedruckt ist. Der Engel Rafael leistet noch mehr, als dass er den jungen Wandersmann Tobias beschützt. Er begleitet und berät ihn, dass er sicher ans Ziel kommt und seine Aufträge erfolgreich durchführen kann.

4. Ein teuflischer Spruch,

nicht nur weil das der einzige Bibelspruch ist, den der Teufel nachweislich zitiert hat (Matthäus 4,6 bei der Versuchung Jesu, sondern weil er uns zu falscher Sicherheit und Leichtsinn verführen könnte. In der Versuchungsgeschichte will der Teufel Jesus dazu bringen, im Vertrauen auf die Wahrheit dieser Prophezeiung von der Tempelzinne herabzuspringen. Jesus wehrt sich mit einem anderen Bibelwort: "Du sollst Gott nicht versuchen" (5. Mose 6,16). Denn wer sich mutwillig in Gefahr begibt, kann darin umkommen, wie das Sprichwort behauptet. Aber manchmal muss uns Gott ja auch vor unsrer eigenen Dummheit beschützen.

Wahrscheinlich hab ich deinem und meinem Schutzengel mit dieser Andacht Unrecht getan. Ich glaube, dass es sie wirklich gibt. Aber sie sind weiter nichts als Funktionäre, Werkzeuge, Körperteile Gottes. In ihnen nimmt Gott für einen Augenblick Gestalt an.

Herzlichst

Heinrich Tischner