Wort für den Monat April 2004

Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt. (1. Petrus 3,9)

Liebe Leserin, lieber Leser,

kluge Leute haben es eigentlich schon immer gewusst: Kleinliche Rache bringt nichts; man gerät damit in einen Teufelskreis der Gewalt, aus der man kaum noch herauskommt. Stattdessen rät der Volksmund: "Einem bösen Hund muss man ein Stück Brot mehr geben." Auch Petrus ist dieser Meinung. Paulus bringt den Rat "Vergeltet nicht Böses mit Bösem" gleich zweimal (Römer 12,17 und 1. Thessalonicher 5,15). Beide haben ihre Weisheit nicht von sich selbst; sie geht letztlich auf Jesus zurück, der empfiehlt: "Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen…" (Matthäus 5,44). Ein vielstimmiges Zeugnis im Neuen Testament, das zeigt, wie wichtig diese Mahnung ist.

Nun gibt es freilich andere, die genau das Gegenteil empfehlen: "Sei nicht so dumm und lass dir nicht alles gefallen. Wenn du deine Ruhe haben willst, muss du dich wehren."

Erfahrungsgemäß geht das in einigen Fällen gut. Der Angreifer ist gewarnt und lässt in Zukunft seine Finger davon. Aber das funktioniert nicht immer. Leicht steigern wir uns in immer mehr Gewalt hinein. Andrerseits besteht die Gefahr, dass wir ausgenutzt und untergebuttert werden, wenn wir uns alles gefallen lassen.

Es gibt wahrscheinlich nur einen wirksamen Schutz, der Gegenwehr unnötig macht: eine innere Stärke, die unangreifbar macht, gepaart mit Kompromissbereitschaft, die keine Feindschaft aufkommen lässt. Ein Riese kann sich's leisten, gutmütig zu sein, weil sich keiner an ihn herantraut. Wer seine Ruhe haben will, der muss einen Charakter entwickeln, dass jedermann vor ihm Hochachtung hat und überhaupt nicht auf die Idee kommt, ihm eins auszuwischen. Leider ist aber genau das unser Problem, dass wir das nicht schaffen, dass wir so wenig innere Stärke aufbringen und oft so kleinlich und reizbar sind.

Es ist auch nicht damit getan, dass wir den starken Mann spielen und uns nichts anmerken lassen, denn wenn uns die innere Stärke fehlt, halten wir das nicht durch. Man wird uns dann als aufgeblasen und hochnäsig empfinden und schnell herausbekommen, dass das alles nur Fassade ist.

Petrus zeigt uns, worauf es ankommt. Er fährt fort: "Ihr seid dazu berufen, Segen zu erlangen." Nur von Gott kann also die Kraft kommen, innerlich so stark zu sein, dass wir auf Gegenwehr verzichten können. Nur durch seine Liebe können wir die Liebe aufbringen, die allein fähig ist, mit Hass fertig zu werden.

Hier merken wir, dass es mit Patentrezepten nicht getan ist. Da geht's nämlich nicht bloß um unser Verhalten, sondern um unseren Charakter.

Hier möchte ich mir eine ganz persönliche Frage erlauben: Bist du ein Christ? Ich meine nicht so einen, bei dem Gott in ein paar grauen Gehirnzellen einquartiert ist, und der glaubt "Gott wird's schon geben, warum nicht?" - Es reicht auch nicht, wenn jemand gut in Reli war und in der Konfirmandenstunde aufgepasst hat und über Glaubensfragen mitdiskutieren kann – auch dann wohnt Gott nur in einem Teil unsres Gehirns. Aber der Rest des Körpers merkt nichts davon.

Nein, wenn dir dein Glaube dir helfen soll, innerlich stark zu werden, dann muss Gott aus dem Gehirn umziehen ins Herz, in die Eingeweide und in den hintersten Winkel des kleinen Fußzehs. Erst dann, wenn dein Glaube auch bis zum Blinddarm vorgedrungen ist und das letzte Kolibakterium im Darm getauft ist, erst dann bist du fähig, mit anderen in Frieden zu leben.

"Unmöglich, das schaff ich nicht!" Sollst du auch gar nicht! Nicht du sollst Gott umziehen, das tut Gott allein. Du brauchst Ihm nur die Türen aufzumachen. Du brauchst nur ihm nur zu erlauben, aus der oberen in die unteren Stockwerke zu ziehen.

Herzliche Grüße

Heinrich Tischner