Wort für den Monat Februar 2006

Die den HERRN lieb haben sollen sein, wie die Sonne aufgeht in ihrer Pracht! (Richter 5,31)

Liebe Leserin, lieber Leser,

eigentlich sollte ich über diesen Vers gar nicht schreiben, denn er ärgert mich. Du brauchst bloß den ersten Teil des Verses zu lesen, dann verstehst du, warum: "So sollen umkommen, HERR, alle deine Feinde!" Primitive Rachegelüste! Ist das christlich?

Was mich an diesem Vers stört, ist nicht die blutrünstige Geschichte im Kapitel davor (Richter 4): Das war halt damals so in der ausgehenden Bronzezeit, etwa zeitgleich mit dem Trojanischen Krieg, und so ging's 3000 Jahre lang weiter. Unsere Vorgeschichte ist ja auch nicht friedlicher.

Was mich ärgert, ist was Anderes: Dass da so selbstverständlich triumphaler Aufstieg, Sieg und Erfolg der Hilfe Gottes zugeschrieben werden. Und dass überhaupt nur der Aufstieg und nur der Erfolg gewürdigt werden. Nach oben kommen, ich geb's ja zu, ist eine Kunst. Mit Anstand nach oben kommen, mit Anstand oben bleiben und mit Anstand abtreten ist eine noch größere Kunst. David hat's geschafft, mit Anstand an die Spitze zu kommen, aber als er oben war, hat er sich die Hände schmutzig gemacht und sein Abgang war nicht gerade rühmlich. Der indische Kaiser Ashoka kam mit fragwürdigen Methoden an die Macht, aber als er oben war, wurde er Buddhist und regierte weise und zum Wohl seines Landes. Meine größte Bewunderung gilt Politikern, die nicht an ihren Stühlen kleben und es schaffen, mit Anstand abzutreten, wenn ihre Zeit vorbei ist. Gehört nicht auch zu einem anständigen "Sonnenuntergang" Gottes Hilfe? Und muss denn jeder so hoch hinauf? Ist Gott nicht auch für die Schnecke auf dem Boden und dem Maulwurf unter der Erde da?

Ich orientiere mich kompromisslos an Jesus: Er predigte nicht Hass, sondern Liebe, und sagte, dass im Reich Gottes die Kleinen ganz vorne stehen, nicht die Großen. Ich liebe Jesus, weil er nicht nur leere Worte gemacht, sondern so gelebt hat, wie er predigte. Er, der in der Nacht geboren wurde und in dessen Todesstunde Finsternis hereinbrach (Markus 15,33), sagt von sich: "Ich bin das Licht der Welt". (Johannes 8,12).

Der Monatsspruch, Schlussvers eines alten Siegesliedes, hat Schule gemacht in der Bibel: David deutet "die den Herrn lieben" auf einen König, der Gerechtigkeit liebt (2. Samuel 23,4), Daniel auf die religiösen Lehrer, die anderen den Weg zu Gerechtigkeit zeigen (12,3). Nach Maleachi werden nicht die Frommen selbst leuchten, sondern ihnen wird "die Sonne der Gerechtigkeit" aufgehen (3,20). Wir dürfen das alles auf Jesus beziehen. Jesus selbst aber kündigt an: Am Jüngsten Tag "werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich." (Matthäus 13,43)

Sind wir "Armleuchter" und "Tranfunzeln" denn so große Leuchten? Ja, wir stehen im Licht Jesu und können dieses Licht eigentlich nur widerspiegeln, so wie Jesus das Licht der Liebe Gottes widergespiegelt hat.

Mit freundlichen Grüßen

H. Tischner