Monatsspruch September 2007

Jesus Christus spricht: Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? (Matthäus 16,26a)

Liebe Leserin, lieber Leser,

"der Mensch ist ein Raubtier", sagte mein Professor der Religionswissenschaft, "denn seine Augen sind nach vorn gerichtet wie beim Wolf und Löwen, damit er seine Beute fixieren kann." Er selbst war auch ein Raubtier, aber kein blutrünstiges. Er "jagte" Erkenntnisse und Forschungsergebnisse. Was er uns vorsetzte, war nicht aus der Tiefkühltruhe verstaubter Bücher, sondern Frischfleisch, selbst gejagt und gewürzt mit selbst erlebten Anekdoten. Man konnte ihm stundenlang zuhören.

Der Raubtierinstinkt schlummert in jedem von uns. Der eine jagt Erlebnisse, der andere Rekorde, der dritte Wissen, der vierte Geld… Jesus spricht unsern Jagdtrieb an, wenn er zu den ersten Jüngern sagt, er wolle sie zu Menschenfischern machen, wenn er von einem Kaufmann erzählt, der Perlen sammelte, wenn er vor den Schäden warnt, die unsre Seele bei dieser Jagd davontragen kann.

Er redet nicht von Schäden, die wir dabei anderen Menschen zufügen können, etwa indem wir ihnen etwas abnehmen oder sie selbst jagen. Er redet auch nicht von Schäden, die durch übereifrige Missionare entstehen können. Das Liebesgebot schließt aus, dass wir anderen Schaden zufügen. Hier geht's drum, dass wir uns nicht selbst kaputtmachen sollen durch unsre Jagd. Wie das?

Es ist doch klar: Sport ist Mord, besonders der Hochleistungssport. Die Schinderei einer Tour de France verführt zum Doping. Das zerstört nicht nur Vertrauen, sondern ruiniert auf die Dauer wie andere Drogen den Körper. Die Jagd nach Geld verdirbt den Charakter, macht unbarmherzig und unzufrieden. Das Sammeln von Wissen kann süchtig machen wie Trinken oder Spielen. Man kann nicht mehr aufhören und vernachlässigt das übrige Leben.

Jesus warnt vor Schäden, die unsere Seele nehmen könnte. Er denkt etwa daran, dass wir unsern inneren Frieden verlieren, wenn wir nicht unserm Gewissen folgen. Er denkt an die Gefahren der Habgier, die nie genug kriegen kann und ewig unzufrieden sein muss. Er warnt davor, dass wir vor lauter Hasten und Jagen nicht mehr zur Ruhe kommen und den Kontakt mit Gott verlieren.

Zur Ruhe kommen wir erst, wenn wir Gott gefunden haben, wenn er unser Herz mit Frieden und Liebe füllt. Das ist wie bei einem Steinzeitjäger, der vor seiner Höhle sitzt und Ausschau nach Beute hält: Er sitzt gesammelt und konzentriert da und beobachtet seine Umwelt. Er rennt nicht ruhelos herum auf der Suche nach Beute. Aber wenn ein Hase oder Mammut vorbei kommt, ist er blitzschnell auf den Beinen, jagt und fängt und schlachtet und kehrt wieder zu seiner Höhle zurück.

Ruhe in Gott gefunden haben zwingt uns nicht zur Untätigkeit eines Einsiedlers. Aber wir haben einen Ruheplatz, von dem wir aufbrechen, um zu tun was nötig ist, und zu dem wir anschließend wieder zurückkehren.

In diesem Sinne: Friede sei mit dir.

Heinrich Tischner