Andacht November 2008

Wenn du den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen. (Jesaja 58,10 - Text bitte im Zusammenhang lesen)

Liebe Leserin, lieber Leser,

als meine Eltern starben, gab es nicht viel zu erben. Ich brauchte das bisschen Kapital auch gar nicht und bin froh dafür, dass ich mir jetzt wegen Börsenkrach und Kursverlusten keine Gedanken machen muss. Die Eltern haben nicht Geld gehortet, damit sie was zum Vererben hatten, sondern sie haben sich damals in der schlechten Zeit jeden Pfennig vom Mund abgespart, damit wir Kinder eine ordentliche Ausbildung bekamen. So konnte ich den Lebensunterhalt für mich und meine Familie selbst erarbeiten. Was hätte ich mit noch mehr Geld tun sollen? Jetzt zugucken, wie es die Bach runter geht?

In einer intakten Familie funktioniert es ganz gut, dass einer für den anderen einsteht und die Eltern für die Zukunft der Kinder investieren. Da ist es leicht, "die Hungrigen ein Herz finden" lassen und "die Elenden sättigen". Die Heizung und der Kühlschrank sind für alle da, da braucht keiner zu hungern und zu frieren.

Wir leben aber nicht allein auf der Welt, sondern mit anderen zusammen in unserm Wohnort, in unserm Land, auf unserm Planeten. Was geht uns der Bettler in der Fußgängerzone an, was diejenigen, die ihre Arbeit verlieren oder noch keine gefunden haben? Was scheren uns die kranken Kinder in China oder die Bewohner der Favelas in Rio de Janeiro?

Ich gebe zu, ich allein bin machtlos. Ich kann dem Bettler Geld geben, aber nicht wirksam helfen. Ich kann keinen Arbeitsplatz anbieten. Und nach China oder Rio fliegen und helfen? Da gehen meine Reserven ja schon für den Flug drauf! Was Privatinitiative nicht leisten kann, muss durch organisierte Hilfe geschehen. Die bekommt ihr Geld aber nicht aus einer hauseigenen Druckerei, sondern da muss jeder von uns mithelfen und wird zur Kasse gebeten.

Die Bibel versteht "teilen" nicht so, dass wir großzügig einen Teil unsres Überflusses abgeben, sondern dass die Güter der Welt allen gehören. So, wie wir in der Familie gemeinsam die Heizung und Kühlschrank nutzen und wie alle Menschen dieselbe Luft atmen.

Wisst ihr, was ich mit einem Teil meines Geldes gemacht habe? Nicht in Liechtenstein deponiert, sondern nach Indien und Afrika transferiert. Als Investition für die Zukunft wildfremder Menschen. Wenn's allen gut geht, geht's mir auch gut. Wenn ich dagegen auf Kosten Anderer lebe, wird mir eines Tages eine teure Rechnung präsentiert.

Was habe ich davon? Weiß nicht, ist mir auch egal. Aber ich habe erfahren dürfen, was ein Sprichwort sagt: "Was du unserm Herrgott schenkst, kriegst du mit Zinsen wieder zurück."

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner