Monatsspruch April 2009

Gott hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben. (Kolosser 2,14)

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Reichen sind verpflichtet, den Armen zu helfen. Das tun sie auch, denn sie leihen ihnen Geld. Ist doch nett von ihnen, oder? Nein, das ist gar nicht nett! Denn wer nichts hat und sich Geld leihen muss, der kann es nicht zurückzahlen. Noch nicht mal die geliehene Summe, geschweige denn die Zinsen. Den Armen Geld leihen war schon im Altertum ein Mittel, noch reicher zu werden: Wenn die Schuldner nicht zahlen können, nimmt man ihnen das letzte, was sie haben, zum Beispiel ihr Häuschen und Äckerchen, das sie zum Leben brauchen.

Heute kommt das natürlich nicht vor, wir sind doch zivilisierte Menschen, meinst du. Ich habe da leider schon zu viel Schlimmes erlebt.

Beispiel: Ein Häuslebauer in den 70er-Jahren hatte sich ein bisschen übernommen mit der Finanzierung. Hinterher hat das Geld zum Leben nicht mehr gereicht. Und Auto und Fernseher und Urlaub muss man doch haben. Also hat der gute Mann weiter gepumpt und Hypotheken auf sein Haus genommen, mehr als das Haus wert war. Auf einmal sagte der Kreditgeber: "Jetzt ist Schluss!" Zwangsversteigerung. So kam der Gläubiger an das Haus. Warum hat er sonst Kredit auf Kredit gewährt, bis das Haus überschuldet war?

Von Schulden spricht auch Paulus im Monatsspruch. Nach Luther: »Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet.« Der Schuldschein oder Schulbrief ist die Quittung, die der Schuldner unterschreiben muss: "Habe von Soundso 10.000 Euro bekommen und verspreche, sie bis … samt Zinsen zurückzuzahlen."

Hier geht's aber nicht um menschliche Gläubiger, sondern um Gott. Haben wir bei ihm etwas gepumpt? Unsre Schulden sind nicht finanzieller Art, sondern wir haben Gott gegenüber Verpflichtungen, nicht nur in Form der 10 Gebote, sondern der Thora, des ganzen alttestamentlichen Gesetzes: "Gedenke des Sabbattags, dass du ihn heiligst. Du sollst zu den drei Hauptfesten nach Jerusalem pilgern und dort opfern. Du sollst kein Schweinefleisch essen und das Böcklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen." Und so weiter.

Im Monatsspruch steht's klipp und klar: "Gott hat den Schuldbrief ausradiert und ans Kreuz geheftet", wie man Bekanntmachungen öffentlich aushängt: "Kater entlaufen", "privater Flohmarkt". So hängt ein Zettel am Kreuz: "Die Schuld gegenüber Gott ist durch Jesus getilgt." Die Forderungen, die er an uns hatte, stehen in der Bibel. Durch die Unsummen religiöser und menschlicher und staatlicher Schuldigkeiten würden auch wir in die Schuldenfalle geraten. Gott hat unsre Pflichten ihm gegenüber aufgehoben. Sie gelten nicht mehr. Wir sind Gott nichts mehr schuldig – außer dem, was wir einander schuldig sind, nämlich Liebe. (Römer 13,8).

Ich habe mich immer wieder gewundert, warum wir im Vaterunser beten "Und vergib uns unsre Schuld" und nicht "unsre Sünden". Jetzt weiß ich's: Gemeint ist nicht "verzeihe uns, wenn wir Fehler gemacht haben", sondern "erlasse uns unsre Pflichten" – für uns schon im Voraus und nicht erst hinterher, wenn wir versagt haben.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner