Monatsspruch Juni 2009

Petrus sagte: Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist. (Apostelgeschichte 10,34-35)

Liebe Leserin, lieber Leser,

für uns ist es selbstverständlich, dass die frohe Botschaft von der Liebe Gottes allen Menschen gilt, ohne Rücksicht auf Volkszugehörigkeit, sozialen Stand, Aussehen oder Geschlecht. Die ersten Christen mussten das mühsam lernen. Jesus selbst hat die Schwelle zu Nichtjuden nur zögernd überschritten. Auch Petrus hat sich damit schwer getan, wie wir in Galater 2,11-14 erfahren. Es ist halt ein Unterschied, ob man grundsätzlich anerkennt, dass Gott alle Menschen liebt, oder ob man selbst die traditionellen Schranken überwindet und sich mit Menschen an einen Tisch setzt, die aus einer anderen Kultur kommen.

Paulus hat den Durchbruch geschafft, aber um einen hohen Preis: Um das Reich Gottes auch für Nichtjuden zu öffnen, hat er darauf verzichtet, sie auf das jüdische Gesetz zu verpflichten. Damit hat er seine eigene Herkunft und die heiligen Grundsätze seiner Vorfahren verraten. Muss man sich wundern, dass er sich deshalb den Hass seiner Volksgenossen zuzog?

Wie sieht es heute aus? Sind die Grenzen zu anderen Nationen und Kulturen wirklich überwunden? Wenigstens bei uns Christen? Ich merke nicht viel davon. Die Christenheit ist zersplittert in unzählige Konfessionen. Jede glaubt, etwas Besseres zu sein als die anderen. Die Katholiken beanspruchen, das Erbe der Apostel bewahrt zu haben. Wir Evangelischen berufen uns auf eine Reformbewegung vor 500 Jahren. Die Evangelikalen wollen sich noch genauer an die Bibel halten. Wir grenzen uns gegeneinander ab.

Sicher spielt da eine Menge Eigensinn und Rechthaberei eine Rolle. Es brutzelt lieber jeder sein Süppchen und pflegt seine Besonderheiten, statt sich um die Einheit zu bemühen.

Aber die Zersplitterung der Christenheit ist nicht nur menschliches Versagen. Denn eine Schranke lässt sich nur schwer überwinden: die der Sprache. Ich bin Deutscher und habe hauptsächlich christliche Bücher deutschen Ursprungs gelesen. Ich kenne mich in unsrer eigenen Tradition gut aus. Als ich vor ein paar Jahren in Armenien war, sah ich, dass es in diesem orientalischen Land ein sehr altes Christentum gibt mit einer reichen Literatur. Ich kann aber kein Armenisch. Das Gedankengut dieses Volkes wird mir daher immer fremd bleiben. Genau so wenig kann ich voraussetzen, dass die armenischen Christen die christliche Gedankenwelt von uns Westeuropäern kennen.

Die westliche Christenheit ist seit tausend Jahren von der östlichen, orthodoxen offiziell geschieden. Der Riss geht aber viel weiter zurück und entstand dadurch, dass die griechischen und lateinischen Christen einander nicht mehr verstanden. Jede Nation hatte ihre eigenen Bücher, die die anderen nicht lesen konnten. Die Westkirche war lange von der lateinischen Sprache geprägt. Aber gegen Ende des Mittelalters begannen die einzelnen Völker ihre eigenen Wege zu gehen und bildeten ihre eigene Art von Christsein aus – sofern es die Landesherren zuließen.

Kommen wir zurück zum Urchristentum. Die Pfingstgeschichte (Apostelgeschichte 2) erzählt, wie Menschen aus aller Welt im Glauben an Christus zusammenfanden: Der Heilige Geist hat sie erfüllt, so dass sie einander verstehen konnten. Eigentlich war das ja kein Problem: Die "Parther, Meder, Elamiter" und wie sie alle hießen, konnten Aramäisch oder Griechisch und hörten das Evangelium in diesen Sprachen. Nicht die gemeinsame Sprache war das Wunder, sondern dass der Geist Gottes ihre Herzen öffnete. Das gab es nicht nur damals. Das geschieht auch heute und habe ich schon oft erlebt. Gott sei Dank!

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner