Monatsspruch August 2009

Der HERR segne dich und behüte dich; der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne. (4. Mose/Numeri 6,24-27)

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Segen im Gottesdienst ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Das heißt, dass er gesprochen wird. Ob er sich auch tatsächlich einstellt, ist eine andere Sache.

Woran liegt es, wenn wir trotzdem Pech haben?

Sicherlich auch an uns, wenn wir nicht bereit sind, uns auf Gott einzulassen. Es gibt so vieles, was uns daran hindert. Ich selbst habe manchmal einen schlechten Tag und bin gar nicht aufnahmefähig, einfach kaputt. Wie kann ich mich da öffnen, wenn ich noch nicht mal die Kraft habe, die Augen offenzuhalten? Manchmal sind wir innerlich verkrampft vor Ärger, Kummer, Stress. Oder mit den Gedanken nicht bei der Sache, weil wir uns nicht lösen können von dem, was uns bisher beschäftigt hat. Oder wir sind skeptisch: Was können denn ein paar fromme Worte nützen? Wir müssen selber mit unserm Leben klarkommen. Sicherlich liegt es auch an uns, ob wir die Segensworte annehmen können oder nicht.

Es liegt aber auch an dem, der den Segen spricht und meist den ganzen Gottesdienst gehalten hat. Gottesdienst halten kostet Kraft, das habe ich ja selbst oft genug erlebt. Am Ende hat mir manchmal die innere Energie gefehlt, den Segen wirkungsvoll rüberzubringen. Denn Segen ist nicht einfach ein schön formulierter frommer Wunsch, den man vom Zettel ablesen kann, sondern eine Art Kraftübertragung. Er ist auch kein Gebet ("Herr segne uns"), sondern ein vollmächtiger Zuspruch: "Der Herr segne dich".

Ob Segen wirksam wird, liegt aber nicht allein an dem, der den Segen spricht, und dem, der ihn empfängt. Beide beeinflussen ja einander: Wenn die Konfirmanden unruhig sind und schwätzen, wie soll sich da der Pfarrer konzentrieren können? Wenn er sich ablenken lässt, wie will er dann die Gemeinde mitreißen? Wir sind doch alle nur Menschen.

Ich habe den Monatsspruch um den folgenden Vers erweitert: "Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne." Das hilft uns nämlich verstehen, was beim Segnen tatsächlich geschieht: Es ist nicht die "Aura" oder innere Kraft des Segnenden, die bei der Gemeinde rüberkommen muss. Es ist der Name Gottes, der wieder und wieder auf uns gelegt wird, wie ein Schutzmantel, der uns vor schädlichen Einflüssen bewahrt, wie Sonnencreme, die unsre Haut vor Verbrennungen schützt.

Ein Schutzmantel funktioniert immer. Eincremen müssen wir uns immer wieder neu. Aber Gott ist doch kein Hilfsmittel, das wirkt, wenn wir es richtig benutzen. Er hat doch einen eigenen Willen! Mit welchem Recht kann ich von Gott verlangen, dass er jetzt mit uns redet, unsre Gebete hört, uns vergibt und segnet? Wir haben manchmal den Eindruck, dass er uns böse ist und uns Böses zufügt. Im Unterschied zu uns kann Gott auch schweigen, und dieses Schweigen kann manchmal sehr bedrückend sein. Wir suchen eine Antwort und finden keine. Wir tappen im Dunkeln und sehen kein Licht.

Das Geheimnis des Segens besteht darin, dass wir diesem Schweigen standhalten, indem wir selbst still werden. Dass wir unsre Gedanken abschalten, die uns bisher beschäftigt haben. Gott lässt sich nicht zwingen. Aber er strömt wie Luft oder Wasser überall da ein, wo er etwas leer findet. Nur wenn wir innerlich ganz leer werden, kann Gott uns mit seiner Kraft und seinem Geist füllen. Vor Gott sind wir alle Flaschen. Flaschen sind dafür da, dass man sie füllt. Also: Deckel ab, die eklige Brühe ausgegossen, ausgespült und dann mit was Besserem gefüllt. Das ist Segen.

Gott segne dich.

Heinrich Tischner