Monatsspruch Dezember 2009

Gott spricht: Ich will euch erlösen, dass ihr ein Segen sein sollt. Fürchtet euch nur nicht und stärkt eure Hände! (Sacharja 8,13)

Liebe Leserin, lieber Leser,

Losungen, Lehrtexte, Wochen- und Monatssprüche und Jahreslosungen sollen uns durch den jeweiligen Zeitabschnitt begleiten. Wenn wir darüber nachdenken, können wir Zusammenhänge für unser Leben entdecken und Gottes Wort für uns persönlich hören. Denn Gottes Wort, das sind nicht Buchstaben auf dem Papier, sondern was Gott mir heute zu sagen hat: "ICH WILL DIR DURCH ALLES BÖSE HINDURCH HELFEN, DAS DIR WIDERFÄHRT, SO DASS AM ENDE ALLES GUT WIRD. DU DARFST EIN SEGEN FÜR ANDERE SEIN, SO DASS AUCH SIE AN DEM GUTEN TEILHABEN, DAS ICH AN DIR GETAN HABE. SO GEHE MUTIG AN DAS HERAN, WAS ICH DIR AUFGETRAGEN HABE, ICH GEBE DIR DIE KRAFT DAZU."

Diese Sprüche haben aber den Nachteil, dass sie aus dem Zusammenhang gerissen sind. Aus solchen isolierten Versen kann man alles herauslesen.

Mir fällt dazu ein Eintrag im Trauregister ein, als ein angehender Müller heiratete: "Trautext: Nimm die Mühl und mahle Mehl." Das machte mich neugierig. Ich schlug nach, das steht in Jesaja 47, 1.2: Die stolze Babylonierin soll die Mühle nehmen und die Arbeit einer Sklavin verrichten. Das wollte der Pfarrer der Braut bestimmt nicht sagen.

So dürfen wir doch mit der Bibel nicht umgehen und dem Propheten das Wort im Mund herumdrehen! Deshalb müssen wir auch beim Monatsspruch den Zusammenhang bedenken (Sacharja 8,9-13):

Diese Segenszusage gilt zunächst nur für ein ganz bestimmtes Vorhaben, nämlich den Wiederaufbau des jüdischen Tempels um 530 v. Chr. "Stärkt eure Hände" und macht euch endlich an die Arbeit! "Ich will euch erlösen", denn ihr habt schwere Zeiten hinter euch, Missernten und Übergriffe der Nachbarvölker. Wenn erst mal der Tempel steht und Gott die Opfer bekommt, die ihm zustehen, wird er auch euch das geben, was ihr nötig habt. "Ihr sollt ein Segen sein", nachdem ihr bisher ein Fluch wart. Die Menschen auf der ganzen Welt haben ihren Feinden gewünscht: "Dir soll es gehen wie den Juden". In Zukunft wird man euch als Beispiel nennen für ein Volk, dem es gut geht.

Das sind keine Worte, die immer und überall gültig sind. Man kann sie vielleicht auf den Wiederaufbau einer zerstörten Kirche beziehen, aber doch nicht ohne weiteres auf dich und mich mit dem, was wir gerade vorhaben.

Bleiben wir bei der Kirche: Die Gernsheimer Kirche war 1945 zerstört worden. Da hätte man diesen Spruch zitieren können, um Mut zum Wiederaufbau zu machen. Sie wurde wieder neu errichtet, aber ohne die Turmspitze, die sie ursprünglich hatte. Die Kirchenleitung meinte: Ein einfaches Satteldach tut's auch. Vor zehn Jahren hatten dann ein paar Gemeindeglieder die Idee: "Wir wollen wieder eine Turmspitze." Hätten sie sich da auf diesen Spruch berufen dürfen: "Stärkt eure Hände und baut"? Ich bin nicht darauf eingegangen. Schon damals mussten wir sparen. Und wem nützt eine Turmspitze? Es schmeichelt dem Selbstbewusstsein der Gemeinde, wenn der evangelische Kirchturm höher ist als der katholische. Ist das der Segen Gottes?

Dazu kommt: Die Kirche ist zerstört worden, weil Krieg war, und der Krieg war nicht einfach ein Unglück, sondern ein Verbrechen, das unser Volk begangen hat. Der "Zusammenbruch" beim Kriegsende wurde von unsren Vätern als Strafe Gottes verstanden. – Ähnlich haben es die Juden verstehen gelernt, als ihre Heimat von den Babyloniern verwüstet worden war: Das war die Quittung für eine verfehlte Politik, vor der Propheten wie Jeremia gewarnt hatten.

Man muss immer die Zeitumstände bedenken. Vor dem Zusammenbruch haben die Propheten kritisiert und ermahnt, hinterher haben sie getröstet und ermuntert. Alles zu seiner Zeit!

Diese Segenszusage Gottes gilt also nicht immer und überall, sondern den Menschen, die mach Gottes Willen fragen, bereit sind, ihre Fehler einzugestehen und einen neuen Anfang zu wagen. Dann darfst auch du das in Anspruch nehmen, was ich oben geschrieben habe.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner