Monatsspruch März 2010

Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. (Johannes 15,13)

Liebe Leserin, lieber Leser,

muss das sein, dass ich mein Leben lasse für meine Freunde? Das ist doch völlig uncool, denn wenn ich am Leben bleibe, haben die Freunde mehr von mir. Und ich von ihnen. Und vom Leben überhaupt.

Wie bitte? Ach so, da ist ja gar nicht von mir die Rede, sondern von Jesus. Ja natürlich, der hat sein Leben gelassen für uns und alle Menschen.

Aber weichen wir damit nicht aus, wenn wir sagen: "Der Monatsspruch bezieht sich auf Jesus. Er starb nicht, damit wir auch sterben müssen, sondern damit wir leben können." Richtig! Aber es gibt ja so viele Beispiele, wo sich auch andere Menschen für jemand geopfert haben:

Pater Maximilian Kolbe, ein polnischer Priester, ohne Verpflichtung für eine Familie, ließ sich im KZ an Stelle eines Häftlings ermorden, der Familie hatte. Mein Urgroßvater soll in einem brennenden Haus von einem herabstürzenden Balken erschlagen worden sein, weil er helfen wollte. Wie viele gefährden ihr Leben oder kommen sogar dabei um, weil sie Andere in gefährlichen Situationen retten wollen.

Leider ist diese Bereitschaft, sich für andere einzusetzen, allzu oft missbraucht worden, indem man junge Leute als Kanonenfutter in den Tod hetzte und etwas faselte vom "Heldentod für Volk und Vaterland". Genauso unverständlich und verbrecherisch ist es, wenn man heute junge Leute als Selbstmordattentäter ausbildet, angeblich um Gott damit zu dienen. Ist ein Volk, ist eine Kultur lebensmüde, wenn sie ihren Nachwuchs opfert?

Aber müssen wir Christen uns da nicht auch an der eigenen Nase ziehen? Ich will ja gar nicht vom Kinderkreuzzug reden, wo die westliche Christenheit wohlwollend geduldet hat, dass eine ganze Generation zu einem wahnwitzigen Unternehmen aufgebrochen ist, das gar nicht gelingen konnte. Ich denke vielmehr an das Urchristentum: Weil Märtyrertum als Krönung des Glaubens galt, gab es viele, die von Todessehnsucht erfüllt alles taten, um als Glaubenszeugen sterben zu können. Bischof Polykarp von Smyrna wurde 155 in Rom im Zirkus verbrannt. In seinen Briefen, die er auf seiner Reise geschrieben hat, gibt er immer wieder zu erkennen, dass er nach Rom aufgebrochen ist, um dort Märtyrer zu werden. Ist das nicht pervers, wenn es jemand darauf anlegt ermordet zu werden?

Jesus ruft nicht zum christlichen "Heldentod" auf, sondern erinnert an ganz selbstverständliche Situationen, wo jemand unbedenklich sein Leben riskiert, um andere zu retten. Kern dieser Aussage ist doch: Liebe ist zum Äußersten bereit.

Unbedachtes Draufgängertum aber ist nicht im Sinne Jesu. Darum hat er gesagt: "Seid klug wie die Schlangen" (Matthäus 10,16), provoziert keine Konflikte und haltet Frieden (Markus 9,50; Römer 12,18).

Das Gegenteil ist aber auch nicht im Sinne Jesu: dass wir uns schonen. Der Sinn des Lebens ist doch, dass wir uns einsetzen mit allen unsren Kräften und Fähigkeiten. Erst dann können wir Erfüllung finden, wenn wir von unserm Leben auch Gebrauch machen. "Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert …, der wird's erhalten" (Markus 8,35) – das ist zunächst eine allgemeine Lebensregel: Wir sind nicht da, um möglichst lange zu leben, sondern um das zu tun, was Gott von uns erwartet, und uns voll dafür einzusetzen. Die Kerze ist uns dafür ein Beispiel: Sie erfüllt nur ihren Zweck, indem sie sich selber verzehrt. Eine Kerze, die sich schonen wollte, hätte den Sinn ihres Daseins verfehlt. Das gilt natürlich auch für das Bekenntnis zu Jesus, darum heißt es: "… wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen…"

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner