Monatsspruch April 2010

Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid. (Epheser 1,18)

Liebe Leserin, lieber Leser,

Hans und Fritz sehen jemand auf der anderen Straßenseite. Fritz kann ihn genau beschreiben - Hans hat zwar schlechte Augen, erkennt aber an der Statur und an der Art, wie er geht, dass das nur sein Nachbar Karl sein kann. Was der anhat, ist völlig egal, ob er einen Schirm oder eine Einkaufstasche trägt, ist unwesentlich. Sehen mit den Augen am Kopf ist das eine, Erkennen mit denen im Kopf das andere.

Trotzdem kann es sein, dass Hans den Nachbarn zwar erkennt, aber nicht wirklich kennt und erst recht nicht versteht. Er sieht vielleicht, dass er nur selten seinen Rasen mäht und hält ihn für einen faulen Schlamper. Er kann nicht wissen, dass Karl in seiner Freizeit Krankenhausbesuche macht und der Rasen ihm nicht so wichtig ist. Wir brauchen also nicht nur Augen am Kopf, sondern auch im Kopf und sogar im Herzen.

Davon redet der Monatsspruch. Augen im Herzen brauchen wir auch in Glaubensdingen. Machen wir uns das an einem weiteren Beispiel klar:

Viele Menschen können mit Gott und Jesus und Bibel und ewigem Leben nichts anfangen. Sie sagen: "Ich glaube nur, was ich sehe." Und was sehen sie? "In der Natur frisst einer den anderen. Nur der Stärkste überlebt." Der einzige Sinn bei diesem Katz- und Maus-Spiel sei es, das Fortbestehen der eigenen Art zu sichern. Es sei beim Urknall weder vorgesehen noch vorauszusehen gewesen, dass es Fuchs und Hasen geben würde und dass der Langschwanz das Langohr frisst und nicht umgekehrt. Dass alles so ist, wie wir es kennen, sei reiner Zufall.

Auch als Christ glaube ich nur, was ich sehe. Dass einer den anderen frisst, hat man uns eingeredet und lässt sich nicht immer mit dem vereinbaren, was wir beobachten: Junge Pavianmänner sichern ihre Gruppe und nehmen es sogar mit Leoparden auf. Kinderlose Elefantinnen betreuen die Jungtiere wie im Kindergarten. Schimpansenmänner adoptieren verwaiste Äffchen. Delphine pflegen kranke Artgenossen und retten verletzte Menschen. Biene und Blütenpflanze, Krokodil und Zahnputzvogel sind gut eingespielte Teams, in denen jeder den anderen braucht.

Ja, ich weiß, ich habe meine Vorurteile. Weil ich an die Liebe glaube, finde ich auch in der Natur etwas, was man Liebe nennen könnte. Aber ich bin nicht blind dafür, dass Leoparden Paviane fressen und die Pavian-Krieger auch mal einen Leoparden zerfleischen. Und dass die fürsorglichen Schimpansenmänner Vernichtungskriege gegen andere "Stämme" führen. Aus der Natur kann ich keine Normen für mein eigenes Handeln gewinnen. Dafür brauche ich andere Maßstäbe. Ich beziehe sie aus der Bibel.

Und wie ist es mit der Hoffnung? Ja, ich freue mich schon auf den Frühling, wenn alles wieder grünt und blüht, und habe den grauen Himmel über der leichenbleichen Erde gründlich satt. Das dauert aber nur ein halbes Jahr und dann fängt alles wieder von vorne an - ein ständiges Auf und Ab. In unserm Leben aber wiederholt sich nichts. Wir werden geboren und sterben. Nach dem Sommer kommt der Herbst, in dem sich unsre "Blätter" verfärben und ausfallen. Nach unserm Winter kommt kein neuer Frühling. Die Natur lehrt uns keine Hoffnung.

Ich brauche die Bibel, um eine Hoffnung zu haben, dass es hinter dieser sichtbaren Welt noch eine andere, unsichtbare gibt. Ich glaube daran, weil ich in meinem Leben so viel davon gespürt habe: Dass Gebete erhört werden - dass ich oft bewahrt worden bin - dass ich auch in den Schicksalsschlägen meines Lebens einen Sinn erkennen kann - dass Jesu Rezept der Liebe äußerst wirkungsvoll ist - dass Gott bei mir bisher alles gut gemacht hat. Darum kann ich glauben, dass er auch weiterhin alles gut machen wird. Nur wer glaubt und es selbst ausprobiert, kann erfahren, dass unser Glaube eine sehr gute Lebenshilfe ist. Wenn er sich aber bereits in der sichtbaren Welt bewährt - warum nicht auch in der unsichtbaren Welt?

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner