Monatsspruch Januar 2012

Weise mir, Herr, deinen Weg; ich will ihn gehen in Treue zu dir. (Psalm 86,11)

Liebe Leserin, lieber Leser,

normalerweise ist es mit dem Navi gar kein Problem, sich in einer fremden Gegend zurechtzufinden. Eine sympathische Stimme weist uns darauf hin, dass wir rechts abbiegen müssen, ferner sehen wir eine vereinfachte Karte, wo wir gerade sind und wohin wir als nächstes kommen. Was wir nicht erfahren ist, was es links oder rechts unsres Wegs Interessantes gibt. Was wir auch nicht erfahren ist, ob es rauf oder runter geht. Die Wegbeschreibung ist eindimensional.

Wie hat man sich früher zurecht gefunden, ohne Navi? Da gibt es ja immer noch den zweidimensionalen Autoatlas, in dem wir unsre Fahrt im Voraus planen können. Die ältesten Hilfsmittel aber sind Wegweiser an den Kreuzungen und die Ratschläge Ortskundiger.

Im apokryphen Bibelbuch Tobias wird von einem jungen Mann erzählt, der eine Geschäftsreise in ein fremdes Land machen soll und einen erfahrenen Begleiter zur Seite gestellt bekommt, einen Engel, wie sich später herausstellt. Der kennt nicht nur Weg und Ziel, sondern er kann ihm auch bei den mancherlei Schwierigkeiten beraten, die sich unterwegs begeben. Das ist ein Gleichnis für unser Leben: Auch in unserm Leben müssen wir uns zurechtfinden, müssen uns immer wieder für eine von mehreren Möglichkeiten entscheiden und damit Weichen für die Zukunft stellen.

In vielen Geschichten wird erzählt, wie ein junger Mensch an einen Scheideweg (Kreuzung) kommt und eine ganz andere Wahl treffen muss: nicht für seine Lebensplanung, sondern für seine Lebensführung. Der Trojanische Krieg begann damit, dass der junge Paris sich nicht für Macht oder Weisheit entschied, sondern für die schönste Frau der Welt, die aber schon vergeben war. Dem jungen Salomo erschien Gott im Traum und sagte, er dürfe sich etwas wünschen. Der König wünschte sich nicht langes Leben, Reichtum und Durchsetzungsvermögen, sondern Weisheit (1. Könige 3,5-15). Sogar Jesus stand vor der Wahl, in der Versuchungsgeschichte (Matthäus 4,1-11). Bei ihm war das keine Grundsatzentscheidung mehr - er hatte sich ja bei seiner Taufe schon festgelegt, seiner Berufung zu folgen. Aber auch dann, wenn wir einen bestimmten Weg eingeschlagen haben, stehen wir an der nächsten Kreuzung wieder vor der Frage. "Wie geht's weiter?" Es genügt nicht, dass wir einmal richtig abgebogen sind. Es gibt so viele Möglichkeiten, wie wir vom rechten Weg abkommen und uns verfahren können.

Der Psalmist betet, dass Gott ihm den richtigen Weg zeigt. "Ich will ihn gehen in Treue zu dir" (Einheitsübersetzung) oder wie Luther übersetzt: "dass ich wandle in deiner Wahrheit". Gemeint ist: Der Beter will Gott die Treue halten, in dem er sich an die "Wahrheit", die Bibel hält. Diese lässt sich aber nicht eins zu eins umsetzen in unser Leben. Sie schreibt uns nicht jeden Schritt vor, aber sie zeigt uns, was wir bei unsern Entscheidungen bedenken müssen. Das Wichtigste ist die Liebe, dass wir uns einsetzen und uns selbst nicht so wichtig nehmen.

Es gibt aber keine Garantie, dass ich auf dem rechten Weg bin und meine Entscheidung richtig war. Da kommt nun eine dritte Übersetzungsmöglichkeit ins Spiel: "Ich will meinen Weg gehen im Vertrauen auf deine Treue." Wenn wir unser Leben Gott anvertrauen, dürfen wir erfahren, dass Gott uns nicht fallen lässt, auch wenn wir uns geirrt und Fehler gemacht haben. Das ist wie beim Navi: Es kennt nicht nur den einen Weg, sondern führt uns auch auf Umwegen zum Ziel.

Ich wünsche euch Gottes Segen für das neue Jahr.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner