Monatsspruch August 2018

Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm. (1. Johannes 4,16)

Quatsch, liebe Leserin, lieber Leser,

Gott ist nicht lieb! Da hat uns der Teufel einen Floh ins Ohr gesetzt: "Du bist Gott unendlich wichtig und er kümmert sich ganz besonders um dich und dein Wohlergehen, wie Papa um sein Baby, und hat nichts anderes im Kopf, als dass es dir allein gut geht. Und wenn du mal einen Fehler machst, andern weh tust, etwas kaputt machst, dich nicht an die Regeln hältst - ist nicht schlimm, der Papa ist groß und stark und richtet's wieder und hat deine Schulden schon im Voraus bezahlt. Du brauchst dir keine Mühe zu geben, damit dein Papa dich lieb hat, du bist doch sein Augapfel und Goldstück. Er darf gar nicht böse sein und darf dich nicht schimpfen und bestrafen und dir weh tun."

Riechst du was? Das riecht mir nicht nach Weihrauch, sondern nach Schwefeldioxid, dem beißenden Gestank aus der Hölle. Jetzt sag mir nicht : "Die Hölle ist abgeschafft" und hör mir zu: Es ist doch eine klare Tatsache, dass Fehlverhalten Folgen hat. Ich hab's erlebt: Ein Jungscharkind setzte sich ins Auto des Jugendleiters und spielte mit den Knöpfen und Hebeln. Die Bremse löste sich, das Auto rollte bergab und knallte gegen eine Mauer. Abgesehen von den Sachschäden und Ärger mit der Versicherung hatte der Übeltäter eine Platzwunde, die genäht werden musste. Ich weiß nicht mehr, wie die Eltern und der Leiter reagiert hatten. Aber die Wunde und die folgende Narbe und das Schmerzgedächtnis nahm ihm kein Apotheker mehr ab.

Ich war noch nicht auf der Welt, da gab's mal einen, der hat nicht unvorsichtig mit der Bremse gespielt, sondern absichtlich mit dem Feuer, begann die Welt zu erobern und alles kurz und klein zu machen. Und keiner konnte ihm Einhalt bieten. Aber das ging nicht lange gut. Ich kann mich noch an den Feuerschein am Himmel vom brennenden Darmstadt erinnern und später an die Ruinen mit ihren rauchenden Kellern. Und an die vernünftigen alten Leute, die vom gerechten Gericht Gottes sprachen.

Es lügt, wer predigt, Gott sei immer nur lieb, es gäbe kein Gericht und die Hölle sei abgeschafft. Und unsre Politiker lügen, wenn sie behaupten, sie könnten die Klimaerwärmung stoppen und zugleich die Autoindustrie und unsern Energiehunger fördern. Da kommt was auf uns zu, was sich nicht mehr aufhalten lässt.

Und Gott? Lügt die Bibel auch? Guck noch mal, was oben steht: Nicht "Gott ist lieb", sondern "Gott ist Liebe." Um im Bild von den Eltern zu bleiben: Eltern haben die Pflicht und Schuldigkeit, ihren Kindern Regeln beizubringen und Grenzen zu setzen. Ich schrieb als Kind mal einen Erpresserbrief, unser Untermieter solle meiner Schwester den Teddy geben, den er von der Kerb heimgebracht hatte, sonst… Der häusliche Geheimdienst fing diesen Brief ab. Und dann gab's Schläge. Als ich heulte, setzte sich meine Mutter neben mich, nahm mich in den Arm und sagte: "Meinst du, mir macht das Spaß, dich zu hauen? Ich könnte mit dir weinen, ich will doch, dass du ein anständiger Mensch wirst."

Das ist Liebe! "Gericht und Gnade", wie die alten Frommen sagten, schließen einander nicht aus. Aber wer das Gericht leugnet und nur noch Gnade predigt, lügt. Ein Gott, der zu allem nur freundlich lächelt, ist ein willenloser Hampelmann. Warum sollte ich Ehrfurcht vor ihm haben, ihn sogar lieben?

Liebe Leserin, lieber Leser, die Folgen meines Erpressungsversuchs haben sich tief in meine kindliche Seele eingeprägt - nicht als "Trauma", sondern als eine glaubenswichtige Erfahrung: Liebe und Strenge gehören zusammen. Wer Verantwortung hat, muss für Ordnung sorgen. Und meine Mutter ergänzte: "Eltern sind Platzhalter Gottes im Herzen der Kinder." Da hatte sie recht. Ich stelle mir heute Gott vor, wie ich meine Eltern erlebt hatte.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner