Monatsspruch Mai 2020

Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat! (1. Petrus 4,10)

Liebe Leserin, lieber Leser,

im Wonnemonat Mai haben wir geheiratet und viele andere auch. Und x-mal habe ich bei Trauungen über diesen Spruch gepredigt, in Kurzfassung: Die Frau soll nicht dem Mann sein Arbeitstier sein und der Mann nicht ihr Boss, aber auch nicht umgekehrt, sondern einer soll für den anderen da sein. Früher war es undenkbar, aber heute machen viele Paare die Hausarbeit gemeinsam, kochen, Kinder betreuen, putzen, Kleider pflegen, einkaufen, Verwaltungskram - soweit es die Zeit erlaubt. Denn die meisten wollen und müssen ja auch arbeiten gehen.

Andrerseits gibt es aber auch eine vernünftige Arbeitsteilung: Jeder hat seine eigenen Aufgaben. Dass die Frau im Haus bleibt und der Mann hinausgeht, hat sich in der Grundwirtschaft des Bauernhofs ergeben: Der Bauer und die Mannsleute arbeiteten auf dem Feld, die Bäuerin und die Weibsleute auf dem Hof. Aber bei der Ernte mussten alle aufs Feld und im Winter machten die Männer Holz und pflegten die Arbeitsgeräte. Vor der Heirat achtete man darauf, dass die Frau Kapital und Feld mit in die Ehe brachte, damit war sie gleichwertig. Beide lebten vom gemeinsam Erwirtschafteten, von dem auch das Personal bezahlt wurde. Wenn ich mich recht entsinne, verwaltete die Frau das Geld. Natürlich "dienten" die Knechte und Mägde ihrem Herrn und ihrer Frau und wurden dafür bezahlt, aber eigentlich trug jedes auf seine Weise dazu bei, dass der Hof was einbrachte.

Im Grunde ist's heute auch nicht anders, nur dass die meisten nicht auf dem Bauernhof arbeiten, sondern in Firmen, Betrieben, Behörden und bei anderen Arbeitgebern. Jetzt, Anfang April, wo ich das schreibe, fürchten Betriebe und Arbeitnehmer um ihre Existenz. Alles ist auf Sparflamme heruntergefahren, das öffentliche Leben weitgehend stillgelegt. Grund: die Ansteckungsgefahr durch das Corona-Virus. Zeit zum Aufräumen und Besinnen: Für wen haben wir eigentlich gearbeitet? Für den Chef? Für die Firma? Für die Aktionäre? Für uns selbst? Für die Kunden? Nein, für die Allgemeinheit! Und wenn's nur darum geht, dass wir Steuern zahlen. Aus denen jetzt Milliarden bereitgestellt wurden, um Existenzen zu retten. Wir müssen zusammenstehen. Jetzt in der Krise besonders. Aber auch in guten Zeiten. Es hat sich in den letzten Wochen die schöne Sitte eingebürgert, Danke zu sagen all denen, die unser Überleben sichern, und nichts als selbstverständlich hinzunehmen. Das könnten wir doch beibehalten. Als Zeichen der Wertschätzung.

Auch bei Festen habe ich über diesen Spruch gepredigt. Dafür fanden sich immer viele, die "mit ihren Gaben und Fähigkeiten" zum Gelingen beitrugen. Im Festausschuss beim Fest der Vereine waren zwei, die rechneten am Schluss im Kopf aus, wie viel Beitrag jeder Verein zu zahlen hatte. Auch das ist eine Gabe! Posaunen- und Kirchenchor sorgten für Musik. Im Posaunenchor war ein Berufskoch, da brauchten wir uns keine Gedanken um die Verpflegung zu machen. Bei unseren Familienfesten ist es Ehrensache Kuchen selbst zu backen. "Jeder mit der Gabe, die er empfangen hat."

Bei diesen "Gaben" geht's um Begabungen, um das, was wir besonders gut können. Vieles müssen wir mühsam lernen und dabei hart an uns arbeiten. Naturtalente tun sich leichter. Aber das meiste, was wir wissen und können, verdanken wir nicht unserm Fleiß, sondern unsern Eltern, Lehrern und Ausbildern. Und wie die Naturtalente unserm Schöpfer. Heute neigen wir dazu unsre Talente zu nutzen, um ums selbst gut in Szene zu setzen. Dabei vergessen wir leicht, was Petrus im Monatsspruch anmahnt: "Dienet einander..."

"Das will ich mir schreiben in Herz und Sinn, dass ich nicht für mich auf Erden bin, dass ich die Liebe, von der ich leb, liebend an andere weitergeb."

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner