Monatsspruch Mai 2022

Ich wünsche dir in jeder Hinsicht Wohlergehen und Gesundheit, so wie es deiner Seele wohlergeht. (3. Johannes 2,2)

Liebe Leserin, lieber Leser,

"viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen, Gesundheit und Wohlstand sei auch mit dabei" singen wir dem Geburtstagkind. Dieser Kanon von Werner Gneist scheint von unserm Monatsspruch beeinflusst zu sein.

"Wohlstand" war ein Ausdruck der Wirtschaftswunderzeit: Es ging uns wieder gut nach der "schlechten Zeit" nach dem Krieg. Jeder hatte Arbeit, ein Dach überm Kopf, alles was er zum Leben brauchte. Gesundheit, na ja, aber es gab genügend Ärzte. Und seitdem ging es uns besser und immer besser. Wohlstand, das klang nach Reichtum, Luxus, Geld ausgeben.

Manche Leute sahen das kritisch. Ich auch. Und deshalb ersetzten sie "Wohlstand" durch "Frohsinn". Ich nicht. Das klingt mir nach künstlicher Lustigkeit. Mir war's aber nicht immer zum Lachen, dazu war das Leben zu ernst und zu hart. Gerade in meinem Beruf als Pfarrer sah ich genug Elend und stand öfter als mir lieb war an Betten und auf dem Friedhof.

Grundsätzlich ist Wohlstand was Gutes, besser als Missstand oder Übelstand. Deshalb singe ich immer noch "Wohlstand", nicht "Frohsinn". Und erst recht nicht "Happy birthday", das ist mir zu oberflächlich, im Sinn von "feiert schön". Aber in ein paar Stunden sind die Gäste fort, und dann heißt's aufräumen, Geschirr spülen und abtrocknen.

Nein, Wohlstand ist kein Kommen und Gehen, sondern ein "Stand", ein Zustand - der sich natürlich auch ändern kann. Das kommt besser zum Ausdruck im "Wohlergehen" des Monatsspruchs. "Wohl" ist die Schwester von "gut": "Lass dir's gut gehen = gehab dich wohl." In Wohlergehen steckt alles drin, vom Wohlfühlen übers Wohlbefinden bis zur Wohlhabenheit.

"Und vor allem Gesundheit!" Merkwürdig: Noch nie haben die Menschen so ungesund gelebt wie heute, aber noch nie sind sie so alt geworden wie heute. Gesund sind wir nicht, wenn die Ärzte nichts gefunden haben, sondern wenn wir trotz Einschränkungen und Wehwehchen unser Leben meistern können.

Was mir beim Kanon besser gefällt als beim Monatsspruch, dass da von "viel Glück und viel Segen" die Rede ist:

Glück ist, wenn etwas klappt und wir damit zufrieden ein können. Und Segen deutet an, dass Gott dazu geholfen hat. Auch in Glück steckt alles drin, vom im richtigen Moment Glückhaben bis zum dauerhaften Glücklichsein.

Und der Unterschied zwischen Glück und Segen? Wenn jemand in einer Gefahr gerade noch davonkommt, sagen wir: Glück gehabt, es ist nichts passiert. Oder Gott hat ihn bewahrt. - Meine Mutter hat einmal getippt und auf Anhieb einen größeren Betrag gewonnen, gerade so viel, wie sie gebraucht hatte, um eine Forderung zu begleichen. Glück gehabt? Sie sah das anders: Sie hatte vorher gebetet und empfand das als göttliche Fügung. Gott erhört Gebete, das kann man aber nur erleben, wenn man betet.

Segen ist eigentlich was ganz Anderes als Glück: der Zuspruch: "Gott sei mit dir." Das spreche ich auch dir zu.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner