Monatsspruch November 2022

Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen! (Jesaja 5,20)

Liebe Leserin, lieber Leser,

also ehrlich, ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll: Als Kind und in der Konfirmandenstunde hab ich die 10 Gebote gelernt, die wenigstens im 2. Teil Grundregeln des menschlichen Verhaltens sind. Gelten die heute überhaupt noch? Ist heute wirklich Böses noch böse und Gutes noch gut?

4. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.

Luther: Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsere Eltern und Herren nicht verachten noch erzürnen, sondern sie in Ehren halten, ihnen dienen, gehorchen, sie lieb und wert haben.

Heute sollen wir kritisch mitdenken und selber entscheiden. Im Prinzip ist das richtig. Aber, liebe Leserin, lieber Leser: Ich habe in meinen 80 Jahren viel nachgedacht, gelernt und studiert - und viele dumme Fehler gemacht, weil ich die Hintergründe nicht kannte. Wir haben ja gar keine Ahnung, wie wenig wir tatsächlich wissen. Jesaja schreibt im nächsten Vers: "Weh denen, die weise sind in ihren eigenen Augen und halten sich selbst für klug!" In der guten alten Zeit hat man Fachleute gefragt, die sich auskannten und Erfahrungen hatten. Die konnten sich natürlich irren, wussten auch nicht alles und waren manchmal ganz schön eingebildet und anmaßend. Aber deswegen muss man trotzdem was wissen, können und Erfahrungen haben. Wenn die "Schulmedizin Quatsch" wäre, wären "alternative" Ratschläge nicht automatisch gut!

6. Du sollst nicht ehebrechen.

Luther: Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir keusch und zuchtvoll leben in Worten und Werken und in der Ehe einander lieben und ehren.

Die Zehn Gebote orientieren sich nicht am Durchschnitt, sondern sind Ideale. Norm ist nicht, was "normal" ist, sondern was wir leisten könnten. Wir können ein Leben lang einem einzigen Menschen treu sein. Das ist die Norm! Sag nicht: Hasen und andere Tiere tun das auch nicht. Nein, wir sind keine Hasen und können treu sein.

Hasenbabys sind auch schneller erwachsen. Menschenkinder brauchen viele Jahre die Fürsorge der Eltern. Ich hab zwei Jugendliche erlebt, die waren auf einmal ganz verstört. "Was ist denn mit dir?" - "Ei meine Eltern haben sich getrennt." Und nicht nur die Kinder leiden unter der Trennung. Die Elternteile auch. Und wenn eins "nebenaus geht", leidet das andere erst recht.

8. Du sollst nichts Falsches über andere sagen.

Luther: Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsern Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren.

Ich habe wiederholt die alte Philosophenweisheit gehört: " Ich weiß, dass ich NICHTS weiß" und was wahr ist, können wir nicht wissen. Jein! Der alte Sokrates hatte sich mit Leuten gestritten, die sich "selbst für klug" und unfehlbar hielten und ihre Gegner für blöd. Dagegen Sokrates: "Ich WEISS wenigstens, dass ich nichts weiß. Aber ihr wisst nicht, dass ihr überhaupt keine Ahnung habt."

Heute aber sagt man: "Es gibt keine Wahrheit", jeder kann glauben, was er will. Stimmt's? Weißt du, wie der Gletschermann richtig hieß? "Ötzi" nennen wir ihn. Aber wie er sich selbst nannte, wissen wir nicht und können's auch nicht wissen. Fritz, Frieda, Winnetou, Tschingbum oder sonstwie hieß er nicht. Wir können noch nicht mal zufällig richtig raten. Aber er hatte einen Namen. Den kann nur Gott wissen. Und an Ihm orientiere ich mich. Es gibt eine sachliche Wahrheit, auch wenn ich sie nicht kenne. Das ist wahr.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner