Kinderfreizeit Dornholzhausen "Paulus in Ephesus"

22.06. - 05.07.1987

Dreißig Kinder und sechs Betreuer aus Georgenhausen, Zeilhard, Ueberau und Gundernhausen verbrachten vierzehn abwechslungsreiche Ferientage im Paul-Schneider-Heim Dornholzhausen bei Butzbach. Thema dieser Freizeit war dieses Mal der Apostel Paulus, der sich längere Zeit in der Hauptstadt von Kleinasien, Ephesus, aufgehalten hatte, die heute nicht mehr existiert. Ganz in der Nähe liegt jetzt die türkische Stadt Seldschuk. Die Kinder wurden daher in "Epheser" (Buben) und "Seldschuken" (Mädchen") auf die einzelnen Stockwerke des Hauses verteilt.

Bei den "Stadtmeisterschaften" wurden Mannschaften gebildet, die nach den in Ephesus ansässigen Völkerschaften benannt waren: Türken, Karer, Griechen, Römer, Lyder und Perser. Jede Gruppe hatte ihre eigene Nationalhymne in der jeweiligen Landessprache, so dass alle Kinder gemeinsam vielsprachig "Preiset den Herrn, halleluja" singen konnten.

Ferner wurde auf der Freizeit der gesamte Ständestaat des Heiligen Römischen Reiches nachgebildet.
Alle Teilnehmer erhielten zu Beginn der Freizeit einen Pass, mit dem sie als "Bürger" in Ephesus und Seldschuk ansässig wurden. Bei besonderen Leistungen für die Gemeinschaft (z.B. Frondienst in der Küche) wurden sie aufgestuft, bei Fehlverhalten abgestuft. Bemerkenswerterweise waren die meisten Staats- und Kirchenämter mit Mädchen besetzt.
Damit den Kindern ihre Würden nicht in den Kopf stiegen, wurde am letzten Tag die Revolution ausgerufen; alle Würdenträger seien abgesetzt; eine bürgerliche Übergangsregierung wurde gebildet und ab 1600 übernahmen der "Haustyrann" und die Eltern die volle Macht in Ephesus und Seldschuk.
Durch ein kompliziertes System von Prüfungen und Bewährungen wurden ferner eine Reihe von akademischen Titeln verteilt: Dass es dabei nicht tierisch ernst zuging, zeigen folgende Beispiele: Kathrin Tischner wurde zum "Professor der deutschen Sprache" promoviert, weil sie schon lesen und schreiben konnte; der Titel "Dr. Cnast" wurde verliehen an diejenigen, die errieten, warum der Pfarrer ein halbes Jahr im Knast war.
Natürlich gab es auch ernsthafte Prüfungen. Wer z. B. ein hohes geistliches Amt anstrebte, musste erst mal Geistlicher werden und entsprechende Fragen beantworten. Die "Geistlichen" gestalteten am 28. Juni einen urchristlichen Gottesdienst. Die Feier war nach urchristlicher Sitte mit dem Abendessen verbunden.

Selbstverständlich kam auch der Sport nicht zu kurz (Stadtmeisterschaften, Tischtennisturnier).

ModenschauAuf dem Programm standen ferner ein Abend mit Hausmusik, ein Schwimmbadbesuch, eine Fahrt nach Marburg, der Abschlussabend mit Hoftheater und Hofball u. A.

Besonders zu erwähnen sind zwei Waldspiele: Beim ersten kam es darauf an, möglichst viele "Waren" auf einen Marktplatz bringen, immer unter der Gefahr, sie von der Konkurrenz abgejagt zu kriegen. Der Handel diente aber eigentlich nur dazu, den zweiten Teil des Spiels zu vertuschen: Da musste ein Urchrist versuchen, durch das Verteilen von "Bibeln" neue Christen zu gewinnen, während ein Geheimpolizist die Aufgabe hatte, die im Umlauf befindlichen Bibeln zu beschlagnahmen. Für je fünf Bibel konnte er einen neuen Polizisten anstellen. Am Ende des Spiels gab es mehr Christen als Polizisten, die Christen hatten also gewonnen.
Das zweite Spiel musste leider wegen eines Unfalls abgebrochen werden. Bei diesem Spiel musste eine Gruppe von Christen versuchen, den Römerbrief versweise über fünf Stationen zu einem Ziel zu transportieren. Eine Gruppe von Juden jagte den Christen die Zettel wieder ab und staunte nicht schlecht, dass auch falsche Botschaften dabei waren.

Für das Thema "Paulus in Ephesus" traf es sich günstig, dass die Epheser Gedenktage Johannes (24.6.), Siebenschläfer (27.6.) und Peter und Paul (30.6.) gerade in die beiden Freizeitwochen fielen. Leider konnte das geplante Johannesfeuer nicht am 24.6. stattfinden. Statt dessen hörten die Kinder am 24.6. die Geschichte von den Johannesjüngern in Ephesus sowie an den entsprechenden Terminen die Legende von den sieben Epheser Christen, die eine Christenverfolgung verschliefen, sowie vom Märtyrertod des Paulus.
Eine der eindrücklichsten Paulusgeschichten ist die vom Aufruhr in Ephesus, die von den Kindern nachgespielt wurde: Laut schreiend und gestikulierend zog die kleine Schar zum Freilicht-Theater des Heims und brüllte dort eine ganze Zeit lang: "Groß ist die Diana von Ephesus!" Dabei wusste eigentlich keiner genau, worum es überhaupt ging. Erst nach einer Weile erschien ein Betreuer in der Rolle des Silberschmieds Demetrius, der den Kindern erklärte, Paulus hätte durch seine Predigt von dem einen Gott das Geschäft mit den silbernen Tempelsouvenirs geschädigt. Dann spielt der Betreuer ein Mitglied des Magistrats und warf den Anwesenden vor, sie hätten durch ihren sinnlosen Aufruhr die öffentliche Ordnung gestört.

Es bestand auch Gelegenheit zum Basteln. An Stelle der silbernen Diana-Tempelchen wurden Papiermodelle der Georgenhäuser Kirche hergestellt, ferner Blumenpressen, Strumpftiere, Papiermasken und Sandmosaiks.

Heinrich Tischner (aus Kirche am Ort 1987)

Freizeiten-Archiv