Feriengemeinschaft Dornholzhausen "Bonifatius erzählt von Jesus"

29.06 - 12.07.1992

Nachrichten Mit eines imaginären Zeitmaschine begaben sich 44 Kinder und 9 Betreuer ins 8. Jahrhundert bei unsrer Feriengemeinschaft im Paul-Schneider-Heim Dornholzhausen. Hauptperson der Rahmenhandlung war Bonifatius, der den Zeitreisenden Jesusgeschichten aus dem Johannesevangelium erzählte.

Gleich bei der Ankunft wurden die Kinder von dem "fränkischen Hausmeier Karl Martell" begrüßt, der ihnen erklärte: Ihr seid jetzt ins Jahr 723 "eingefristet" und Bürger des Fränkischen Reichs. Sie bekamen einen Pass, gaben ihr Taschengeld beim "Scazhus" ab und mussten sich beim "Senescalke" für verschiedene Dienste einteilen lassen.

Auch sonst wurden die Teilnehmer immer wieder daran erinnert, dass sie sich im 8. Jahrhundert befanden. Amtssprache war das Althochdeutsche, in dem alle wesentlichen Verlautbarungen abgefasst waren. Streitigkeiten, Umzugsanträge und Kriminalfälle wurden wie vor 1200 Jahren vor einem "Dinge" verhandelt, das unter einem Kirschbaum tagte.

Für Dienste für die Allgemeinheit wurden die Kinder geadelt. Rangabzeichen war eine Lederschnur, auf die man verschiedenfarbige Perlen fädeln konnte. Die Herbergsgäste entwickelten solchen Eifer, dass die vorgesehenen Rangstufen längst nicht mehr ausreichten, so dass noch höhere Grade ersonnen werden mussten. Auszeichnungen gab es auch für die ordentlichsten Zimmer, die fast täglich unter dem Motto "Unsar Thorf scal scôniro werthan" (Unser Dorf soll schöner werden) inspiziert wurden.

"Bonifatius" begleitete die Kinder nur durch die erste Woche, hielt dann einen Abschiedsgottesdienst, bei dem es um die Fällung der Donareiche ging, und reiste ab, um die Bajuwaren, Thüringer und Westfriesen zu besuchen. An den folgenden Tagen wurde jeweils ein fingierter Brief des Bonifatius vorgelesen, der eine Jesusgeschichte zum Inhalt hatte. Der letzte Brief war nicht fertig geschrieben; ihm war beigefügt die authentische Nachricht vom Märtyrertod des Missionars im Jahr 754 in Friesland. Da es zum Bonifatiusgrab nach Fulda zu weit war, führte der Tagesausflug nur nach Amöneburg, wo Bonifatius ein Kloster gegründet hatte. Anschließend ging's nach Marburg.

Im Hause der Herrn saß * der Heiland,
belehrte die Leute * mit Liebe.
Da fingen viele * Pharisäer,
öffentlich an, * einem
Weibe die Wahrheit * zu beweisen,
dass sie eine Sünderin * sei,
die manches Mal, * ihrem Manne
immer untreu, * die Ehe
gebrochen. Sie brachten * die Braut
rachgierig rasend * zum Retter.
Es fragten die feigen * Feinde
des Guten den Gottessohn: * "Gelt,
Meister, Mose * hat gemahnt,
dass diese * Dirne
am Tag ihrer Tat * getötet,
gestürzt und mit Steinen * gestraft
werde. Wag es, * du Weiser,
rate und richte! * So ritze
den Tag des Tods * auf die Tafel!"
Nieder neigte sich * der Nothelfer,
fing an mit dem Finger * zu fahren
unten auf der Erde, * einige
gestaltlose Striche * in den Staub
zu malen. Das machte * der Meister.
Doch fuhren sie fort * Ihn zu fragen.
Da erhob der Heiland * Sein Haupt
und guckte die Gegner an * voller Güte
und sagte: "Wer sündlos ist, * der soll gleich
zuerst die Ahndung * eröffnen,
auf der Stelle mit Steinigung * strafen,"
und bückt' sich bald wieder * zu Boden
entzog sich dem Zetern * mit Zeichnen.
Stumm standen sie da * und stahlen
sich fort, gefangen * in ihren Fehlern,
und wagten nicht, Wacker * zu werfen.
Da erhob sich der Herr * voller Huld:
"Die dich verdammen - * sind sie noch da?"
"Nein" sprach sie, "niemand * hat mich vernichtet."
"So verurteile Ich dich * auch nicht.
Zum Retten, nicht zum Richten * bin Ich bereit.
Freu dich, du bist frei, * geh in Frieden.
Doch sollst ohne Sünde * du sein,
ohne Trug finden den Trost * allein in der Treue.

(Stabreim: In jeder Zeile beginnen drei tontragende Silben mit dem selben Laut. Innerhalb der Zeile ist eine Pause (*); der erste Teil hat zwei "Stäbe", der zweite einen: gestaltlose Striche * in den Staub)

Auch die übrigen Programmpunkte waren auf die Themen Jesus und Bonifatius abgestimmt. Die Geschichte von der Ermordung das irischen Missionars Kilian, der mitsamt seiner heiligen Bücher verscharrt worden war, gab Anlass, bei Hügelgräbern im Wald nach Teilen eines Puzzles zu suchen, auf dem ein Text über Gemeinschaft stand.

KirchenbauBei einem Ganztagsspiel sollten die Teilnehmer im Dorf Pläne für eine Kirche suchen, Arbeiter anwerben, Baumaterial besorgen und schließlich im Wald eine Kirche bauen. Zum Abschluss gab's eine kleine Stärkung und "Bonifatius" erzählte bei der Gelegenheit die Geschichte von der Speisung der Fünftausend.

Die biblische Geschichte von der Hochzeit zu Kana war verbunden mit einem "Brûtloufti uf themo Strûchhove" (Bauernhochzeit auf dem Strauchhof ). Leider hatten die Hochzeiter einen groben Formfehler begangen, weil sie nichts über Mitgift und Morgengabe vereinbart hatten. Daher wurden diese Ehen von der Fränkischen Regierung gleich wieder annulliert.

Aus Anlass der Hochzeit fand eine Zirkusvorführung statt. Der Zirkus war mit Kostümen und Zubehör bestens ausgestattet und zeigte Clown- und Zaubernummern, Löwen- und Bärendressur, Tiefseil- und andere Akrobaten und vieles Andere.

Sämtliche behandelten Jesusgeschichten wurden durch einen Stationenlauf vertieft, der als "Piligri-mesfart in daz heilaga land" (Pilgerfahrt in das heilige Land) deklariert war. Die Teilnehmer erhielten am Ende eine von "Bonifatius" unterzeichnete Urkunde, dass sie so und so viele heilige Stätten besucht hätten. Die Gewinner erhielten zusätzlich Süßigkeiten als Preis, die Verlierer die gleichen Süßigkeiten als "Wegzehrung", damit sie die anderen heiligen Stätten auch noch besuchen konnten.

Die Leidensgeschichte Jesu wurde als "Passionsspiel" dargeboten: der Einzug Jesu in Jerusalem als Singspiel - die eigentliche Leidensgeschichte in Form eines Kreuzwegs - die Ostergeschichte "früh am Morgen" um 730 durch ein kleines Spiel, das die Stimmung der Jünger am Ostermorgen zeigte. Petrus erkannte: "Wo zwei oder drei im Namen Jesu versammelt sind, da ist Er mitten unter ihnen."

Die wesentlichen Ereignisse des Tages wurden abends in der "Widarscouwunga" (Tagesschau) des Fernsehsenders Warta zusammengefasst und von Kindern kommentiert. Selbst der meist nichts sagende, aber lustige Wetterbericht durfte nicht fehlen: "Das Wetter von morgen (Abreisetag) wird feucht werden: Tränen des Abschieds und Tränen der Freue von denen, die wieder in ihr Heimatjahrhundert eingefristet werden und uns morgen verlassen."

Heinrich Tischner (Glühwürmchen 2/1992)

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