Ädwäntscher-Tuur Sachsenmühle '95

19.07. - 28.07.1995

Adventure-Tour '95 - Sachsenmühle bei Gößweinstein. Was war da eigentlich los? Was ist mir überhaupt im Gedächtnis geblieben, was gab es an Höhepunkten, was hat mit beeindruckt - positiv oder vielleicht auch negativ? Hier eine Zusammenfassung:

Mittwoch

Morgens nach die letzten Utensilien in den VW-Bus gepackt, mit Ulla zum Dieburger Bahnhof gefahren, dort Elko, Geli und Clemens getroffen. Einige Kinder - 'tschuldigung: Jugendliche! - sind auch schon da, größtenteils mit Eltern. Nach und nach trudeln alle ein: Agnes, Alex, Dominik, Kathrin, Kerstin, Martin, Matthias, Nina, Sandra, Simone, Steffi und Tarik. Das Gepäck wird in den Autos verstaut. Vier Fahrräder, drei Mitarbeiter und die Freizeitgruppe verfrachten sich um 08:46 Uhr in den Zug, der gerade hält. Die restlichen Räder haben Elko, Herr Staudt (und Frau Gebhard) auf dem Autodach bzw. im Hänger, acht Kanus liegen auf dem Kanu-Anhänger, das neunte liegt auf dem Bus.

Umsteigen in EbermannstadtNach mehrmaligem Umsteigen kommen die Zugfahrer gegen 13:00 Uhr in Ebermannstadt an, von dort geht's mit den inzwischen abgeladenen Fahrrädern 15 km talaufwärts zur Sachsenmühle. Unterwegs muss übrigens gleich mal das mitgebrachte Fahrradflickzeug ausprobiert werden! Ankunft im Heim, auspacken, ausladen, Zimmer beziehen, kurze Verschnaufpause - und dann auf zur ersten Kanu-Probefahrt. Im ruhigen Wasser oberhalb des ersten Wehres in Hausnähe drehen dann die ersten ihre Kreise - bis auch sie das Steuern gelernt haben. Leider hat die Wiesent ab 17:00 Uhr bootsfrei zu sein, wir müssen also bald schon wieder aussetzen (Interessenkollision zwischen Kanuten und Anglern).

Nach dem ersten Abendessen, dem Einteilen des Küchendienstes und einigen Vertrauensspielen führt Clemens in die Bibelarbeitsreihe "Zehn Gebote" ein. Abschließend gibt's dann im inzwischen stockdunklen Wald noch ein besonderes Vertrauensspiel: an einem zwischen den Bäumen "querwaldein" gespannten Seil muss sich jeder einzeln seinen Weg zum Ziel erfühlen. Genau wie im richtigen Leben: Gottes Gebote sollen so etwas wie ein roter Faden, eine Richtlinie im Leben sein, ein Wegweiser, der verlässlich ist und dem wir vertrauen dürfen.

Zum Tagesabschluss wird das Blitzlicht eingeführt: nachdem der Tag noch mal kurz zusammengefasst ins Bewusstsein gerufen worden ist, kann jedeR seine Gedanken, Eindrücke oder Kritik loswerden - ohne Kommentare der anderen!

Donnerstag

Heute geht's auf zur Kanu-Tagestour! Das Wetter wird schön (schön heiß!). Die Boote werden auf den Hänger gewuchtet und in mehreren Fahrten werden Mann, Frau und Maus nach Nankendorf kutschiert. Hier geht's los. Bei ca. 30° C im Schatten paddeln wir in fast stehendem Wasser bei praller Sonne von Wehr zu Wehr. Die Umtrage-Aktionen werden zur Plage. Und erst im Laufe des Nachmittags fließt die Wiesent schneller, erreicht wirklich stellenweise Wildwasser-1-Charakter. An einer Sohlschwelle mit anschließender Stromschnelle und Doppelkurve ergeben sich interessante Befahrungsvarianten: die einen fahren über, die anderen unter dem Wasserspiegel, eine Bootsbesatzung versucht sogar, mit Anlauf eine Kurve auf dem Landweg abzuschneiden!

Gegen 17:00 Uhr müssen wir an der Schottersmühle aussetzen und die Boote wieder aufladen. Bis zur Sachsenmühle ist es doch noch ein bisschen weit.

LogoDaheim angekommen, sind wir erst mal alle geschafft! Später am Abend entwerfen wir noch ein spezielles Ädwäntscher-Tuur-Emblem (siehe rechts), um damit unsere weißen T-Shirts zu zieren. Außerdem behandeln wir noch das erste Gebot, bevor es dann endgültig "Richtung Waagerechte" geht.

Freitag

Heute ist ein kleiner Feiertag, jedenfalls für Simone: sie hat heute Geburtstag! Deshalb wird sie beim Frühstück mit einem Lied und einem "Was-draußen-gerade-wächst-Blumenstrauß" begrüßt.

Nach den gestrigen Strapazen wollten wir uns heute eigentlich einen ruhigen Tag machen. Aber die Fahrt mit dem Rad ins 3 km entfernte Gößweinstein entpuppt sich schon wieder als recht schweißtreibend! Es geht fast nur bergauf!!

Oben angekommen, bleibt für Einkäufe und Stadtbummel gar nicht mehr so viel Zeit, da wir für 10:00 Uhr den Termin für eine Führung durchs Franziskanerkloster ausgemacht haben. Wir sind sehr erstaunt, als Bruder Ambrosius uns erzählt, dass im ganzen Kloster nur noch fünf Mönche leben (die aber nach eine ganze Pfarrei samt Wallfahrtsbetrieb leiten und verwalten und noch einen großen Garten bewirtschaften). Wir stellen fest, dass man mit den Mönchen gut Kirschen essen kann: wir dürfen einen Kirschbaum im Klostergarten plündern! Bruder Ambrosius führt uns durch die Küche und in den Speisesaal ("manchmal kommen wir uns hier ein bisschen verloren vor…"), durchs ganze Kloster bis in den Keller mit seinem geheimnisvollen Gang.

Gegen Mittag verlassen wir das Kloster, besichtigen noch die Basilika - uns sind dann binnen weniger Minuten wieder in unserem Heim: es geht 3 km bergab!

Am Nachmittag paddeln wir die Wiesent flussab bis Muggendorf (ca. 8 km). Diesmal ist sie recht lebendig, mit einigen Schwällen und Stromschnellen, einem sehr niedrigen Steg und einem Naturwehr, das je nach Einschätzung der eigenen Fahr- und Steuerkünste befahren, durchschwommen (unfreiwillig) oder umtragen wird.

Im Laufe des Abends wird unter anderem das 2. Gebot besprochen: "Du sollst den Namen deines Gottes nicht missbrauchen." Gottes Name ist heilig. So heilig, dass ihn die Juden nicht einmal ausgesprochen haben. In Seinem Namen wird geheiligt, werden Sünden vergeben. Wir sollen ihn nicht zweckentfremden. Gott will kein Mittel zum Zweck sein, um eigene Wünsche und Ziele zu erreichen. Er ist auch kein Pray-o-mat: oben Gebet rein, unten Erfüllung raus, vielleicht noch die Danke-Taste drücken, dann ist's gut. So will sich Gott nicht missbrauchen lassen.

Samstag

Nächster Höhepunkt der Freizeit: die Höhlen! Heute geht's in die Unterwelt! Also: aufs Rad bis ins Lange Tal bei Muggendorf, dort (nach ausgiebiger Mittagspause) in die Höhlenklamotten gestiegen, Helm aufs Hirn und ab ins Loch.

Das "Loch" nennt sich "Schönsteinhöhle", hat ein Gangsystem von etwa 600 m auf zwei Etagen und ist lehmig, feucht-nass und hat einige schöne Tropfstein- und Sintergebilde (Bitte nicht berühren, mit dem abgewischten Wassertropfen wird eine hauchdünne Kalkschicht zerstört, die Jahre bis zur Neubildung braucht.). Unser Höhlenführer vom Bamberger Verein für Karst- und Höhlenkunde hat uns über drei Stunden durch enge Spalten, flache Kriechgänge und hohe Hallen geführt. Dabei hat er uns viele Tropfsteine, Sinterbecken und andere Gesteinsformen gezeigt und ihre Entstehung erklärt.

Als wir schließlich über und über lehmverschmiert wieder im Freien standen, war es dort fast genau so dunkel wie in der Höhle - ein dickes Gewitter war aufgezogen. Auf der Heimfahrt sind wir gleich ordentlich geduscht worden - allerdings waren wir deshalb noch lange nicht sauber!

Im Laufe des Abends hielt unser Führer noch einen interessanten Vortrag über die Höhlen der Umgebung, über ihre Entdeckung, über Funde und Ausgrabungen.

Sonntag

Den Sonntagmorgen ließen wir wirklich ein bisschen ruhiger angehen. Es wurde sogar später geweckt! Im Laufe des Vormittags feierten wir einen selbstgestalteten Gottesdienst.

Gruppenfoto nach HöhlenbesuchAnschließend fuhren wir mit dem Rad (schon wieder) nach Muggendorf, diesmal zur Oswaldhöhle. Während sich ein Teil von uns am Waldrand lagerte oder den Wanderweg durch die Oswaldhöhle verfolgte (auch ohne Taschenlampe möglich), zogen einige Unersättliche mit Ulla und Gerrit zur Wundershöhle und machten diese unsicher (diesmal ohne Führer). Einige enge Spalten und Löcher wurden "befahren", einige Gänge erkundet; auf dem Rückweg wurde einigen dann schnell klar, dass eine Höhlenbegehung auf eigene Faust einen guten Orientierungssinn erfordert, mancher hätte fast die falsche Abzweigung genommen!

Im Laufe des Nachmittags stellte sich heraus, dass Ute seit vier Wochen schwanger war! Dies führte natürlich zu einigen Problemen - die im Planspiel ausgiebig bearbeitet wurden.

Am Abend hatte die hauseigene "Sachsenmühl-Disco" geöffnet, angeblich seien auch ein paar Karaoke-Sänger da gewesen. Vor dem Blitzlicht ging es beim Bibelgespräch noch um das 4. Gebot "Du sollst Vater und Mutter ehren." Fast jeder hatte dazu aus eigenem Erleben einen Beitrag zu leisten.

Auf Anregung der Kids hatte ab heute jeden Abend nach Programmschluss das Gute-Nacht-Cafe geöffnet: Gelegenheit, um im kleinen Tagesraum zu spielen und zu palavern. Dafür blieb es in den Schlafzimmern ein bisschen ruhiger.

Montag

Mit dem Linienbus ging's heute morgen recht früh nach Ebermannstadt, von dort aus mit dem Zug nach Bamberg. Nachdem wir gemeinsam mehr oder weniger ausgiebig den Dom besichtigt hatten, zogen mehrere kleine Grüppchen quer durch die Stadt - zum Einkaufen, Bummeln oder Eisessen.

Später, auf der Rückfahrt von Ebermannstadt zur Sachsenmühle, erlebten wir eine böse Überraschung. Ein Bergrutsch hatte die Bundesstraße unpassierbar gemacht! Nach einer "Sightseeing-Tour" durch verschiedene Bergdörfer und einem längeren Fußmarsch kamen wir dann aber doch noch im Heim an - von wo sich einige gleich aufmachten, um die Unglücksstelle zu begutachten.

Im Laufe des Abends ergab sich ganz ungeplant ein sehr interessantes Gespräch über verschiedene politische Systeme, ihre Vor- und Nachteile, über Kriegs- und Friedensformen und über verschiedene Arten, ein Land zu regieren.

Da wir gerade im Reden waren, ging's anschließend mit dem 5. Gebot gleich weiter: "Du sollst nicht töten." Nach einer filmischen Einführung redeten wir uns die Köpfe heiß: Was ist eigentlich Töten? Und was war damals im Gebot bei Mose damit gemeint? Ist ein Soldat ein Mörder, wenn er im Krieg tötet? Ist Abtreibung Mord? Darf ich mit Gewalt gegen andere vorgehen? Wie sieht's aus mit Notwehr? Manche Fragen blieben zum Schluss offen, auch andere Meinungen blieben stehen, aber es gab viele neue Denkanstöße.

Dienstag

Heute steht der ganze Tag im Zeichen von Projekt-Gruppen. Ulla bietet Lederarbeiten an, es entstehen Beutel, kleine Tiere, Schlüsselanhänger, später wird sogar eine Tasche gefertigt.

Bei Gerrit werden Einkaufskörbe aus Peddigrohr oder aus Bondoot geflochten. Das Flechtmaterial weicht teilweise schon seit gestern in der Wiesent - und ist trotzdem noch schwierig zu verarbeiten. Aber die Geduld ist groß, alle Körbe werden fertig!

Clemens will mit einigen Leuten einen Spielfilm selbst erarbeiten. Erst wird das Drehbuch geschrieben, dann werden die einzelnen Szenen gedreht ("Achtung! Und Äktschen."). Geschnitten und mit Musik unterlegt wird der Film aber erst zuhause.

Elko und Geli haben heute Küchendienst, außerdem helfen sie in den Projektgruppen dort aus, wo gerade jemand gebraucht wird.

"Du sollst nicht ehebrechen.", lautet heute das Bibelthema. Wessen Ehe kann man eigentlich brechen? Die eigene und eine fremde. Haben wir es eigentlich nötig, fremde Ehen zu zerstören, wenn wir wirklich darauf vertrauen, dass Gott unser Leben zu unserem Besten leitet? Andere Frage: Was ist eigentlich Ehe? Wann beginnt sie? Ehe ist ein neuer Lebensabschnitt (vor Gott und den Menschen). Es ist eine Verbindung entstanden, die so eng und intensiv ist, dass daraus neues Leben entstehen kann! Liebe schafft Leben!!

In der Abenddämmerung brechen wir zu einer Nachtfahrt auf: In Muggendorf wollen wir die Rosenmüllerhöhle, eine ehemalige Schauhöhle, besichtigen. Am Geländer des alten Rundganges sind Halter angebracht, ausnahmsweise dürfen in dieser Höhle Kerzen angezündet werden. Nach einem gemeinsamen Lied verlassen wir die Höhle wieder. Im Freien hören wir einer Vorlesegeschichte zu - und werden von einer Art Gekrächze abgelenkt! Ein Bilch fühlt sich auf seiner Tour gestört und keift uns wütend an. Spät geht's dann im warmen Abendwind über die Bundesstraße wieder heimwärts.

Mittwoch

Anstrengende Radto(rt)ur! Die Unermüdlichen, die Drängler und Angeber wollten wir eine Extra-Strecke zum vereinbarten Treffpunkt schicken: 17% Steigung! Leider ging die Rechnung nicht auf: Zum einen wollten die meisten diese Strecke fahren (es ging nämlich nachher auch 17% talwärts!), zum anderen hatten wir auf unserem Talweg einen sehr widerspenstigen Platten, der uns zwang, im nächsten Dorf einen neuen Fahrradschlauch zu kaufen, der sich dann auch nur mit List und Tücke einbauen ließ! So hatte die andere Gruppe unser vorläufiges Ziel, die Riesenburg bei Doos, eine offene Höhlenruine, längst erkundet, als wir dort ankamen um Mittag zu machen.

Über Stock und Stein (im wahrsten Sinne des Wortes!) und über Berg und Tal ging's dann weiter quer über die Alb. Meist waren die Bergauf-Strecken viel zu lang und zu heiß ("Hey, ihr habt ja 'nen Knall, so 'ne Strecke rauszusuchen!"). Die Talfahrten dagegen waren zu kurz.

Aber schließlich kamen wir doch in Tüchersfeld an, besichtigten dort im alten Judenhof das Fränkische-Schweiz-Museum und schlabberten in einer nahen Gastwirtschaft ein Eis. Gewisse Leute zogen es allerdings vor, von hoher Warte aus schlafende Schorschehäuser mit dem Teleobjektiv zu filmen!

Abendlicher GesangBis zum Abendessen dauerte es heute ein bisschen länger: um die Würstchen zu grillen, musste erst das Lagerfeuer richtig brennen. Zu den Salaten gab es dann auch ungewollte Fleischbeilagen. Im Dunkeln entfaltete sich bei manchen Kindern der Sadismus: mit Vergnügen versenkten sie arme, unschuldige Insekten im heißen Kerzenwachs!

Donnerstag

Vorletzter Tag! Relativ ruhiges Programm. Unter anderem wurden die letzten Bastelarbeiten beendet. Auf die Lederarbeiten setzte noch ein wahrer Ansturm ein.

Auf vielfachen Wunsch wurde abends am Feuer noch Stockbrot gebacken. Eine Nachtwanderung im stockdunklen Wald (fast) ohne Taschenlampen sollte eigentlich alle müde machen, um uns eine ruhige Nacht zu bescheren. Aber vermutlich waren wir Mitarbeiter so ziemlich die einzigen, die in der Nacht ruhig waren…

Freitag

Letzter Tag! Das übliche Packen und Aufräumen ist angesagt. Das Haus wird Zimmer für Zimmer und Stockwerk für Stockwerk gesäubert. Die Autos werden geladen.

Zum Abschluss der Bibelarbeiten geht's heute um das Liebesgebot Jesu "Liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst. Das ist das Gesetz und die Propheten." (Matthäus 22, 37 - 40).

Nach dem Mittagessen und dem Mammut-Blitzlicht (Freizeitrückblick) fahren die Zugfahrer im einsetzenden Regen mit dem Rad Richtung Ebermannstadt, die Autofahrer werten dort am Bahnhof, laden die Räder auf - und ab geht's Richtung Heimat.

Trotz Stau treffen wir uns alle pünktlich um kurz nach acht Uhr abends am Dieburger Bahnhof - die Eltern und Geschwister warten schon - "macht's gut!" - "bis zum Nachtreffen!"

- "oder bis zur nächsten Freizeit…" -

"…tschüss…"

… und damit ist die Freizeit zu Ende. Was bleibt, sind Erinnerungen, Eindrücke, Erlebnisse, Erfahrungen.

Gerrit Langenbruch

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