Liebe Leserin, lieber Leser,
gestern erreichte mich die lange erwartete Nachricht: Eine Bekannte hat endlich ihren Doktortitel. Sie ist allein erziehende Mutter, hat bisher ihr Leben mit einem Halbtagsjob gefristet und bis spät in die Nacht über ihrer Doktorarbeit gesessen. Die Nerven bis zum Äußersten gespannt, wie manches Mal flossen Tränen und hing der Haussegen schief. Eine Anschaffung für die Kinder, eine Reparatur: finanzielle Katastrophen.
Warum hat sie denn alle diese Mühen auf sich genommen? Sie wollte eine gut bezahlte Stelle als Dozentin bekommen, die ihr angeboten worden war. Dazu brauchte sie den Doktor. Jetzt hat sie Titel und Stelle. Die Plackerei hat sich gelohnt.
Dieses Beispiel zeigt: Wer etwas erreichen will, muss Leiden auf sich nehmen. Das wissen wir ja auch aus anderen Lebensbereichen. Sportler plagen sich ab wegen einer Medaille. Forscher und Erfinder arbeiten verbissen an ihren Ergebnissen. Katastrophenhelfer opfern ihre Zeit und gefährden mitunter Gesundheit und Leben.
Und Jesus: Nach den Maßstäben einer Spaßgesellschaft war es doch verrückt, sich mit den Benachteiligten gut zu stellen und mit den Mächtigen anzulegen. Sogar seine Jünger empfanden es als hellen Wahnsinn, dass Jesus nach Jerusalem gehen wollte, obwohl er ahnte, welches Schicksal dort auf ihn wartete. Er wusste, dass es nur "durch Leiden zur Herrlichkeit" geht. Er hat's geschafft und ist jetzt bei Gott im Himmel.
Und dann waren die Jünger dran, und denen ging's auch nicht besser. Die Apostelgeschichte, die gerade nach der ökumenischen Bibellese an der Reihe ist, zeigt das in jedem Kapitel. Auch die Apostel mussten Schwierigkeiten in Kauf nehmen, weil sie etwas erreichen wollten: Menschen zu Christus führen und Gemeinden gründen. Ihr wahres Motiv war ein anderes: Sie wollten "in das Reich Gottes eingehen", wie es im Monatsspruch heißt, und andere mitbringen.
Das Deutsche Reich liegt in der Vergangenheit und Frankreich im Westen. Aber wo liegt das Reich Gottes? Die Bibel hat darauf drei Antworten:
Wir Christen haben ein Heimatrecht in dieser anderen Welt. Gott hat uns so erschaffen, dass wir mit zwei Beinen auf dem Boden stehen, Hände frei haben zum Anpacken und den Kopf erhoben, damit wir Ausschau halten können auf das, was auf uns zukommt, und immer den Himmel im Auge behalten, der über uns ist.
Herzliche Grüße
Heinrich Tischner