Nur musst du wissen: Die Ritter konnten kein Hochdeutsch und sprachen den normalen Dialekt ihrer Gegend, bei uns also mittelhessisch. Dass Mittelhessisch oder Mittelschwäbisch "mittelhochdeutsch" gewesen sei, haben die Gelehrten erfunden. Stör dich nicht dran.
Mittelhessisch ist eigentlich ganz leicht, denn du kennst schon eine Menge Wörter:
geschrieben | gesprochen | Bedeutung |
---|---|---|
der dack / des daghes | der Tag / des Tags | |
guut / guures | gut / gutes |
Und wie begrüßte man einen Gast? Nicht, wie du denkst, denn damals drückte man sich anders aus:
Uiss mirr uillekummen! | Sei mir willkommen! |
Du merkst also: Man sprach etwas anders als heute: Das a in dac war kurz, nicht lang wie heute in Tag. Lang werden nur die Vokale gesprochen, auf denen ein Dach (^) drauf ist, also abe (awe) 'ab', aber âbent (aawent) 'Abend'.
B, d und g wurden im Wortinnern wie w, r und ch (oder j) gesprochen:
gäwwen | geben | |
bruurer | Bruder | |
sachen | sagen | |
lejjen | legen |
Das w wurde wie heute im Englischen als eine Art kurzes u gesprochen. Ich umschreibe mit hoch gestelltem u:
uaapen! | Alarm! |
Ch klang immer wie in ach, nicht wie neuhessisch sch:
Ich mache mich färtik | Ich mache mich fertig. |
V wurde immer wie f gesprochen, aber nicht so scharf, z war am Wortanfang ts und sonst ein scharfes s. S vor l, m, n, r klang wie sch:
Des affenfadders tsant fiil in den schnee. |
Dem Affenpapa sein Zahn fiel in den Schnee. |
Jetzt noch ein paar nützliche Wörter aus dem Ritterleben, die nicht mit den heutigen übereinstimmen:
der bruutlauft | die Hochzeit | |
dass herrgeueede | die Rüstung | |
dii hooch-tsiit | das Fest | |
der maak, dii maache | der / die Verwandte/n | |
dass march | das Streitross | |
der paffe | der Priester | |
dii minne | die Liebe | |
dii reise | der Kriegszug | |
dass sarruaat | die Rüstung | |
dass schtäch-schpill | das Turnier | |
der schtraale | der Pfeil | |
der turnei | das Turnier | |
dass urluuche | der Krieg | |
dii farrt | die Reise | |
dii frauue | die Chefin, die Dame | |
dii uaat, der ueede | das / des Gewand/s | |
dass wiip | die Frau |
Die Ritter waren berühmt für ihre Liebeslieder. Eins der kürzesten und schönsten verstehst auch du:
Dû bist mîn, ich
bin dîn, des soltu gewis sîn. Dû bist beslozzen in mînem herzen, verlorn ist daz slüzzelîn, dû muost immer drinne sîn. |
Heinrich Tischner